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Amerikanischer Barde: Bob Dylan, wie der Zeichner Zep ihn sieht.

© Illustration: Zep/Carlsen

Musik-Comic: In den Wind geblasen

Der Sammelband „Bob Dylan Revisited“ versammelt hochkarätige Zeichner und hält sich eng an die musikalischen Vorlagen - an Fantasie, Originalität und Spannung reicht das Werk jedoch nicht an das Original heran.

Ein junger Mann steht in einer Gasse und lässt, begleitet vom Blues, handgeschriebene Blätter zu Boden fallen. Blätter, auf denen Worte, Sätze und Phrasen stehen. Mit seinem Musikvideo zu „Subterranean Homesick Blues“ hat Bob Dylan ein unnachahmliches Amalgam aus Musik und Text visuell festgehalten. Bekannte Comic-Künstler tun es ihm nun nach und verbinden in „Bob Dylan Revisited“ zwei Kunstformen miteinander: Comic und Musik. Das Produkt sind grafische Coverversionen von Dylans Songs.

Als wäre die Übertragung der Songzeilen in einzelne Bilder nicht schon schwer genug, hat man sich gegen die englischen Originale und für Gisbert Haefs Interlinarübersetzung (Bob Dylan: Lyrics) entschieden. Die von Dylans Management verordnete, strikte Worttreue nimmt den Songs leider jeglichen Rhythmus und Reim. Aus den unsterblichen Zeilen „How many roads must a man walk down / Before you can call him a man?“ wird eine nüchterne Nachfrage „Wie viele Straßen muss einer gehen / Bis ihr ihn einen Mann nennt?“. Haefs Übersetzungen werden zu Beginn jedes Comics ihren Originalen gegenübergestellt.

Viele der grafischen Beiträge folgen diesem Zwang wie Lemminge und geben einfach nur wieder, was gesungen steht, wie z.B. Thierry Murats „Blowin' in the Wind“. Jegliche Energie des Protestsongs wird so in den Wind geblasen. Auch der wütende „Hurricane“ und die raue Schönheit des „Girl from the North Country“ fallen dieser Eins-zu-Eins-Übertragung zum Opfer. Einzig Mattotti, Großmeister der Farben, fängt mit „A Hard Rain's A-Gonna Fall“ den Rhythmus des Blues ein. Das immergleiche „Und was hast du gehört, mein blauäugiger Sohn? Was hast du gehört mein lieber Kleiner?“ behält – trotz verbatimer Übersetzung – den Charakter eines Mantras.

Nur wenige Künstler beschreiten eigene Pfade

Nur wenigen Comic-Coverversionen gelingt es die bloße grafische Nacherzählung der Songtexte hinter sich zu lassen und eigenen Pfade zu beschreiten. Die kruden Kolorierungen in Nicola Nemiris „I want you“ zeichnen Dylans kratzige Stimme nach und die verschwommene Darstellung des Helden fängt das ungezügelte Gefühl der rastlosen Sehnsucht synästhetisch ein. Der Erfindungsreichtum in Dave McKeans bekanntem Collagenstil für „Desolation Row“ und Flaos Bild- und Textkompositionen zu „Blind Willie McTell“ vollführen dieselben spontanen Wendungen wie Dylan in seinen Songs.

Einen gelungen Abschluss feiert Zep mit seiner grafischen Interpretation von „Not Dark Yet“. Nicht die bloße Handlung des Songs steht im Mittelpunkt der Bilder, sondern Dylan selbst. Auf vier großformatigen Seiten illustriert Zep wichtige Stationen des großen amerikanischen Barden: Seine frühe Phase als Protest- und Folksänger, den Elektroschock, den er seinen Fans beim Newport Folk Festival 1965 verpasst hat, seine musikalische Sinnsuche und schließlich Bob in moderneren Zeiten.

Eine Lektüre ohne die Songs im Ohr gestaltet sich schwer, aber auch als illustriertes Songbooklet ist „Bob Dylan Revisited“ nicht zu empfehlen, da die wortgetreue Übersetzung und die fehlende Fantasie der meisten Zeichner das Projekt unnötig einschränken. So sinken die Comic-Seiten leblos zu Boden. Dort bleiben sie in der Gasse liegen, ohne jene Spannung zu erzeugen, die Dylan in „Subterranean Homesick Blues“ heraufbeschworen hat.

„Bob Dylan Revisited“, 112 Seiten, Carlsen Comics, 16,90 Euro. Mehr unter diesem Link.

Die Homepage unseres Autors Daniel Wüllner findet sich hier, zu seinem Blog geht es hier

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