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Treffsicher. Ein „Modesty-Blaise“-Cover von 1988

© Promo

Nachruf: Immer die Story im Blick

Der Schriftsteller Peter O’Donnell schuf mit „Modesty-Blaise“ eine außergewöhnliche Agentenserie, die nicht nur als Comic Erfolg hatte. Ein Nachruf

Am 3. Mai, kurz nach der Feier zu seinem 90. Geburtstag, verstarb „Modesty-Blaise“-Schöpfer Peter O’Donnell. Modesty war in den 60er Jahren der erste Multimedia-Angriff der britischen Popkultur, erfolgreich als Comic, Film und Romanserie, in diversen Songs, etwa von den Sparks und den Direct Hits verewigt. Und weil die frühere Diebin Modesty auch schon mal für den britischen Geheimdienst arbeitete, bekam sie schnell das Prädikat „der weibliche James Bond“ aufgedrückt.

Nichts könnte falscher sein, denn wo Bond ein einsamer, sadistischer, freudloser, frauenverachtender Killer ist, da kommt Modesty Blaise emanzipiert, sexy, humorvoll daher, die von ihren ebenfalls sympathisch geschriebenen Nebenfiguren nicht zu trennen ist. Susan Sontag benutzte den Begriff „camp“ ausdrücklich für O’Donnells charmante Schöpfung, die stets etwas „over the top“ agierte und bei der selbst die gröbsten Unwahrscheinlichkeiten – etwa ein Sprung ohne Fallschirm aus einem in großer Höhe fliegenden Flugzeug, den Modestys Freund Willie Garvin unverletzt überstand – ironisch lächelnd an den Leser verkauft wurden.

Emanzipiert, sexy, humorvoll. Eine Seite aus „Modesty-Blaise“.
Emanzipiert, sexy, humorvoll. Eine Seite aus „Modesty-Blaise“.

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In Deutschland inzwischen fast vergessen (die rororo-, Goldmann- und Carlsen-Ausgaben der Bücher sind vergriffen, eine Neuausgabe im Unionsverlag floppte), ist der Einfluss O’Donnells im angloamerikanischen Raum nicht zu unterschätzen: John Travolta liest in „Pulp Fiction“ einen Modesty-Blaise-Roman auf dem Klo, bevor er erschossen wird, um die Filmrechte nicht zu verlieren, produzierte Tarantino vor zwei Jahren einen grausigen, rumänischen Billigfilm des Stoffes, der britische Verlag Titan arbeitet seit sechs Jahren an einer Gesamtausgabe der nahezu 100 Comicgeschichten und hat bereits 17 Bände vorgelegt. Spätestens hier, wenn man die zwischen 1963 und 2001 erschienenden Daily Strips liest, fängt man an, O’Donnell zu bewundern. Denn anders als reine Comicstripautoren, die von Tag zu Tag arbeiten, behielt der Schriftsteller O’Donnell immer den Überblick auf die Storys und konzipierte seine Kapitel von Woche zu Woche. Die Folge: Ein angenehm stetiger Lesefluss, weil O’Donnell auf überflüssige Rekapitulationen verzichtete.

Natürlich sind die ersten Strips, die bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1970 vom Über-Stilisten Jim Holdaway gezeichnet wurden, die besten. Sein Nachfolger, der Spanier Enrique Romero, tat sich zu nächst schwer. Nach einer Handvoll britischer Interims-Zeichner kehrte Romero 1986 zu Modesty zurück und zeichnete die Strips bis zum letzten Strip im Jahr 2001. Es war gleichzeitig der erste in Farbe. In den letzten Jahren widmete sich der an Parkinson erkrankte O’Donnell der liebevoll editierten Titan-Gesamtausgabe und verfasste für jede Geschichte ein Vorwort. 

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