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© Illustrationen: Marvel

Neue Marvel-Serie: Grün ist die Angst

Wer bin ich? Gestaltwandler wollen im Crossover „Secret Invasion“ die Erde übernehmen. Jetzt erscheinen die ersten Bände der Serie auch in Deutschland. Viele Comic-Fans haben inzwischen aber genug von den Großereignissen.

Die grünen Männer aus dem All sind auf der Erde, um sie zu erobern. Was wie der x-te Aufguss eines immer wiederkehrenden Science-Fiction-Konzeptes klingt, ist genau dies. Es ist aber auch Bestandteil des erfolgreichsten Comics auf dem amerikanischen Comicmarkt im Jahr 2008. Secret Invasion heißt das Ereignis, das sich durch fast alle Serien des Marvel-Verlages zieht. Der Hausverlag von Spider-Man, Iron Man und Co. veröffentlichte die Kerngeschichte in einer achtteiligen Miniserie. Alle acht Hefte setzten sich laut Diamond Comic Distributors in der Top Ten-Liste der bestverkauften Comics 2008 fest.

Secret Invasion beginnt in dieser Woche in Deutschland, herausgegeben von Panini Comics. Worum es geht, ist eigentlich schnell erzählt. Die Skrulls, eine außerirdische Rasse von Gestaltwandlern mit grüner Haut, wollen die Erde erobern. Sie tauschen Schlüsselfiguren im Marvel-Universum aus und nehmen ihren Platz ein, um die Superheldengruppen von innen heraus zu verunsichern und zu schwächen. Niemand weiß mehr, wem er trauen kann. „Die Skrulls sind die besten Gegner, die man kriegen kann. Denn jemand, der einfach jeder sein kann ... den kann man nicht besiegen“, sagte Stan Lee, Schöpfer von Spider-Man und vielen anderen Superhelden, in einem Podcast-Interview für Marvel.

Doch so einfach die Geschichte eigentlich ist, so komplex ist sie in das Marvel-Universum integriert. Die Idee von Autor Brian Michael Bendis stammt aus dem Jahr 2004. Aber die Wurzeln reichen viel weiter zurück. In einem Comicklassiker aus dem Jahr 1971 mischten sich die Rächer in einen Krieg zwischen zwei außerirdischen Rassen ein. Eine davon waren die Skrulls. Die Geschichten von Roy Thomas hat Panini im Januar in Marvel Paperback 9: Der Kree/Skrull Krieg neu aufgelegt. Um zu verhindern, dass die Skrulls die Erde jemals wieder bedrohen, reiste eine Gruppe von Superhelden in ihre Galaxie. Sie wurden allerdings gefangen genommen und die Skrulls waren in der Lage, ihre Gene zu duplizieren. Diesen Teil der Ereignisse erzählt die fünfteilige Miniserie „New Avengers: Illuminati“ aus den Jahren 2006-2007.

Das war der Grundstock für die Invasion, die jetzt über die Erde kommt und so gut wie alle Marvel-Titel mit einbezieht. So unübersichtlich das Freund-Feind-Schema für die Superhelden wird, so schwer ist es auch für die Leser, die Übersicht über die Storyline zu behalten. Die Website Comixology.com zählt 187 Einträge für Comichefte, die zur Secret Invasion gehören. Kreuz und quer geht die Invasion durch fast alle Serien – so etwas nennt man in der Comicwelt ein Crossover. In der achtteiligen Miniserie schließlich kommen alle Helden zusammen, um die Invasion aufzuhalten.

1971 ist lange her. Es war ein Jahr, in dem der Kalte Krieg in vollem Gange war und auch Marvel die Stimmung dankbar in seinen Heften aufnahm. Als Verkörperung von Paranoia und Misstrauen dienten die gestaltwandelnden Skrulls. Ein Konzept, das Bendis aber auch heute noch für hochaktuell hält. „Wir sind heute wieder zurück in dieser Zeit. Noch Jahre nach 9/11 gehen wir in ein Flugzeug und beobachten erst einmal aufmerksam die Leute – wir können uns gar nicht dagegen wehren“, sagte er in einem Entertainment Weekly-Interview.

Autor Bendis spielt in Secret Invasion mit diesem Misstrauen. Und er zeigt, dass in Konflikten jede Seite sich im Recht sieht. So auch die Skrulls. Sie versprechen, Kriege, Hunger und Energienöte von den Menschen zu nehmen. Gut, es klingt etwas oberlehrerhaft, wenn Marvel das selbstzerstörerische Verhalten der Menschen geißelt. Aber in Zeiten von Klimakatastrophen, Energiekrisen und Hungersnöten nimmt der Verlag eigentlich nur den Zeitgeist auf. In einer Videobotschaft in Secret Invasion 6 verkünden die Skrulls den Menschen: „Die, die gegen uns aufbegehren, begehren in Wirklichkeit gegen euch und eure Zukunft auf. Akzeptiert die Veränderung. Umarmt die Veränderung.“ Umarmt die Veränderung – Embrace change. Marvel hat das gleich zum Stichwort genommen, um eine Werbekampagne zu starten. Plakate, Anzeigen und Flyer zeigen Skrulls und Menschen Hand in Hand. Sogar eine eigene Internetseite gibt es: www.embracechange.org.

Wie die Verkaufszahlen zeigen, haben die amerikanischen Comicleser die Skrulls schnell in ihre Arme geschlossen. Allerdings gibt es viele kritische Stimmen, auch unter den deutschen Fans. „Früher ging es bei Marvel mal darum, charakterbezogene Geschichten zu erzählen. Heute scheint es nur noch um Events zu gehen“, beschwert sich etwa jemand namens „Echo“ in einem Beitrag auf Comicforum.de. Bei Marvel waren es „House of M“, „Civil War“ und nun die „Secret Invasion“, die beinahe nahtlos ineinander übergehen. Marvels Konkurrenz von DC machte es nicht anders. Das Stammhaus von Batman und Co. hat in der jüngsten Vergangenheit ständig seine Superhelden vereint und mit „52“, „Inifinite Crisis“ und „Final Crisis“ ein Crossover nach dem anderen gestartet. „Bei DC habe ich das Gefühl, dass man da in einem unendlichen Crossover steckt. Die könnten auch eine Extra-Serie mit Titel „Crossover“ starten. Marvel ist eigentlich wenig besser“, kritisiert „Rusch“ im Forum gleich beide Verlage.

Die Comicfans vermuten zwar Geschäftemacherei hinter den zahlreichen Crossovern – machen das Spiel aber dennoch bereitwillig mit. Schließlich will niemand das entscheidende Puzzlestück einer groß angelegten Geschichte verpassen. Langsam wird es ihnen aber zu viel des guten. Viele Serien hätten überhaupt keine Chance, sich zu entwickeln, weil sie immer Teil eines großen Ereignisses sein müssten, so „Frank Castle“ im Forum.

Alle diese Großereignisse krempeln die Welt, wie sie die langjährigen Leser kennen, gehörig um. Nach House of M gab es auf der ganzen Erde nur noch 198 Mutanten – während es zuvor Millionen waren. Nach Civil War waren die Superhelden untereinander zerstritten, Captain America tot und Tony Stark alias Iron Man übernahm als oberster Weltpolizist die Kontrolle über die Organisation „Shield”. Wer da noch durchblicken will, braucht entweder eine große Comicsammlung oder ein Lexikon, das alle Ereignisse zusammenfasst.

Übrigens steht nach Secret Invasion gleich das nächste Großereignis an, „Dark Reign“. Dann allerdings ohne grüne Männchen.

Secret Invasion, diverse Folgen unterschiedlicher Autoren und Zeichner, auf Deutsch im Panini-Verlag. Mehr dazu hier.

Matthias Jekosch

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