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© Carlsen

Schwarzer Humor: Sorge Dich nicht - stirb!

Joscha Sauers Cartoons sind böse, schräg und nicht jedermanns Geschmack. Um allen Kritikern zuvor zu kommen, nennt er seine Reihe "Nichtlustig". Aber da liegt der Frankfurter falsch.

Sitzen ein Mann und ein Hund beim Tierarzt in der Sprechstunde. Sagt der Mann: "Ich möchte meinen Hund einschläfern lassen." Sagt der Hund: "Ich möchte mein Herrchen einschläfern lassen. Und ich hab mehr Geld." Joscha Sauer nennt seinen Humor "schwarz", aber das ist eigentlich untertrieben. Seine Gags handeln bemerkenswert oft davon, wie eine seiner Figuren stirbt, fast stirbt oder zumindest jemand anderen umbringen will. Oder es geht um Parasitenbefall, Hämorrhoiden, Drogenkonsum. Weil dem Zeichner klar war, dass nicht jeder über seine Pointen lachen kann, nannte Sauer die Reihe "Nichtlustig". Um die schlimmstmögliche Kritik gleich vorwegzunehmen.

Inzwischen zeichnet Joscha Sauer bereits im zehnten Jahr - und ist einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Comic-Zeichner. Sein aktueller Band "Nichtlustig 4" hat eine Startauflage von 60000 Stück, bricht nach Angaben des Carlsen-Verlags "alle Rekorde". Offenbar gibt es genug Leser, die "Nichtlustig" ziemlich lustig finden.

Der beste Freund des Sensenmannes ist ein rosa Pudel

In seinem neuesten Band, dessen Veröffentlichung mehrmals verschoben wurde, setzt der inzwischen 30-jährige Frankfurter weiter massiv auf Running Gags. Über die Jahre hat Sauer zwei Handvoll Charaktere geformt und geschärft, die Fans seiner Reihe inzwischen schon zum Schmunzeln bringen, wenn sie nur einigermaßen dumm im Panel rumstehen. Zu den schrägsten gehören der Sensenmann und sein rosa Pudel: Der eine muss tagsüber raus, Hausbesuche machen und die Sterbenden abholen, der andere bleibt daheim und saugt Staub. Im vorangegangen Band war das kurzzeitig anders, da litt der Sensenmann unter dem Burn-Out-Syndrom und schickte seinen Pudel zu den Sterbenden, aber der vermasselte alles, die Menschen blieben am Leben. In "Nichtlustig 4" versucht sich der Tod an einer originellen Geschäftsidee - er steht am Telefon und spielt Zeitansager: "Beim nächsten Ton leben sie noch 9 Jahre, 47 Tage, 12 Stunden und 3 Minuten." Und der Pudel macht dazu "Piep".

Daneben gibt es die Dinosaurier, die meistens kurz vor dem Aussterben stehen, das dicke Nilpferd, das davon träumt, auf einem Zauberpony über den Regenbogen reiten zu können, zwei durchgeknallte Wissenschaftler und viele, viele Lemminge. Die versuchen stets, na klar, sich das Leben zu nehmen. Etwa indem sie Anhalter spielen. Dann stehen sie am Wegesrand, und auf ihren Schildern steht nicht "Über Kassel" oder "Über Hannover", sondern "Über mich drüber."

Der Charme braucht Zeit zur Entfaltung
 
Wer zum ersten Mal einen Sauer-Band in Händen hält, wird die Cartoons wahrscheinlich zu Recht für geschmacklos halten, vielleicht sogar angewidert sein. Aber wer durchhält und weiterblättert, entdeckt bald den Charme der kurzen, meist nur aus einem einzigen Panel bestehenden Geschichten. Und früher oder später muss er laut lachen, wenn er sieht, wie Marketingchefs in einer Besprechung darüber abstimmen, ob sie ihr neues Produkt lieber "Honig" oder "Bienensabber" nennen sollen.

Im Jahr 2000 fing Sauer an, die ersten Cartoons zu zeichnen. Er veröffentlichte sie auf seiner Internetseite www.nichtlustig.de. Drei Jahre später nahm ihn Carlsen unter Vertrag. Heute ist Sauer nach eigener Aussage einer der wenigen deutschen Zeichner, die allein von den Buchverkäufen leben können. Sein Ziel ist es, einmal "mehr zu verkaufen als Uli Stein". Dazu setzt er auf Merchandising, auf seiner Homepage können Fans T-Shirts, Jacken, Mousepads und Postkarten bestellen. Plus den Plastiklemming mit Strick um den Hals für 9,90 Euro. Seit einigen Monaten plant Joscha Sauer zudem eine Trickfilmversion von "Nichtlustig". Ob sie jemals im Fernsehen gezeigt wird, ist noch nicht klar. Vor 22 Uhr ginge das wahrscheinlich eh nicht.

Joscha Sauer: "Nichtlustig 4", Carlsen Verlag, 64 Seiten, 10 Euro.

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