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Rätselhafte Welt: Eine Seite aus dem zweiten "Drifter"-Sammelband.

© Cross Cult

Science-Fiction-Comic „Drifter“: Gestrandet im Weltall

Selbstfindung nach der Katastrophe: In „Drifter“ verbinden Ivan Brandon und Nic Klein visuell herausragende Science-Fiction mit philosophischen Exkursen.

Der Raumfahrer Abram Pollux stürzt mit seinem Schiff auf den Planeten Ouro, wo Aliens und Menschen in einer fragilen Koexistenz leben. Die retro-futuristische Wildwestwelt, in der er seinen Platz sucht, ist von knochigen Reptilienwesen beherrscht, sogenannten Wheelern. Die wenigen menschlichen Bewohner leben im permanenten Ausnahmezustand, der durch Konflikte in ihrer Gemeinschaft noch verschärft wird.

Nein, es ist keine einladende Welt, die der US-Autor Ivan Brandon, Jahrgang 1976, und der in Kassel lebende Zeichner Nic Klein, Jahrgang 1978, für ihre Science-Fiction-Serie „Drifter“ geschaffen haben. Aber eine vor allem visuell faszinierende, die den perfekten Rahmen abgibt für diese Geschichte einer Selbstfindung nach der Katastrophe.

Kantige Figuren, die dem Leser entgegenzuspringen scheinen

Klein hat lange in Kanada gelebt und ist als Künstler dank seiner Arbeit an Serien wie „Thor“ und „Captain America“ sowie der ebenfalls zusammen mit Ivan Brandon entwickelten Serie „Viking“ in den USA bekannter als hierzulande. Er hat für „Drifter“ klar konturierte Bilder geschaffen, die so plastisch wirken, dass sie einem aus dem Papier entgegenzuspringen scheinen. Wie ein Bildhauer hat er seinen kantigen Figuren eine dreidimensional anmutende Erscheinung verliehen, starke Lichteffekte verstärken die Wirkung. Und auch die von exotischen Tieren und Pflanzen belebten Landschaften Ouros wirken dank intensiver Farbgebung bemerkenswert organisch.

Verzweifelt sucht der von Gedächtnisverlust geplagte Abram Pollux vor dieser Kulisse nach Erklärungen für sein Schicksal. Das ist nicht nur deshalb rätselhaft, weil er meint, erst vor wenigen Tagen abgestürzt zu sein, während viele Indizien darauf verweisen, dass seitdem mindestens ein Jahr vergangen ist.

Griechische Mythologie als Schlüssel zum Verständnis

Wie jede gute Geschichte lässt sich auch „Drifter“ auf mehreren Ebenen lesen: einerseits als packende Abenteuerstory, die im zweiten der beiden bislang auf Deutsch veröffentlichten Sammelbände in einer Expedition in gefährliche, unbekannte Regionen des Planeten gipfelt.

Zugleich finden sich viele Allegorien auf die menschliche Existenz, die dem Werk neben der visuellen auch inhaltliche Tiefe geben. So der als Metapher für das Ringen mit seinen inneren Dämonen zu interpretierende Kampf von Abram Pollux mit mysteriösen Gestalten, die das Wrack seines Raumschiffs bevölkern.

Und der Bezug zu Castor und Pollux, den Brüdern aus der griechischen Mythologie, von denen der eine sterblich und der andere unsterblich ist, liefert eines der übergeordneten Handlungselemente.

Abenteuer mit offenem Ausgang: Das Cover des zweiten "Drifter"-Sammelbandes.
Abenteuer mit offenem Ausgang: Das Cover des zweiten "Drifter"-Sammelbandes.

© Cross Cult

„Drifter“ weckt Erinnerungen an Genre-Klassiker wie die jetzt neu aufgelegte 60er-Jahre-Comicserie „Trigan“, die Arbeiten von Comic-Erneuerer Moebius („Der Incal“) oder Filme wie „Star Wars“ und „Avatar“. Dank der Handschrift des Autor- Zeichner-Duos entwickelt diese Reihe jedoch eine ganz eigene Faszination. Die immer wieder thematisierten Selbstzweifel und die quälende Suche der Hauptfigur nach Antworten kommen zwar stellenweise etwas zu pathetisch daher, vor allem wegen der bedeutungsschweren Texte. Dank des in schnellen Szenenwechseln vorangetriebenen Plots fällt das jedoch kaum ins Gewicht.

Die beiden deutschen Sammelbände enthalten die ersten neun Kapitel der Heftreihe, beim US-Verlag Image Comics ist kürzlich die 15. Folge erschienen: Ein Ende von Abram Pollux’ Odyssee ist also vorerst nicht in Sicht.

Ivan Brandon & Nic Klein: Drifter, Cross Cult, bislang zwei Bände, 112/98 Seiten, 25/35 Euro.

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