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Harte Bandagen: Eine Szene aus „Steam Noir“.

© Cross Cult

Science-Fiction-Comic: Jäger der verlorenen Seelen

Nach der preisgekrönten Graphic Novel „Jakob“ beeindrucken die Newcomer Felix Mertikat und Benjamin Schreuder jetzt mit dem Steampunk-Mystery-Krimi „Steam Noir“.

Steampunk hat sich seit seinem Auftauchen in den achtziger Jahren als eigenes Kunstgenre so wie als literarische Strömung etabliert. Das markanteste Element ist die Verschmelzung von dampf- und zahnradgetriebenen Maschinen mit futuristischen Funktionen sowie einem viktorianischen Lebensstil. Felix Mertikat und Benjamin Schreuder, die Autoren der preisgekrönten Erzählung „Jakob“ (hier geht es zur Tagesspiegel-Rezension), erweitern dieses Setting um eine Portion Mystery und präsentieren jetzt mit „Steam Noir“ eine komplexe Welt, genannt Landsberg.

Dort passiert es immer wieder, dass die Seele eines Verstorbenen von der Toteninsel Vineta  zurückkehrt. Dabei erzeugt diese Rückkehr eine Verzerrung, welche Mensch und Natur schwere Schäden zufügen kann. Der Detektiv Heinrich Lerchenwald, im Comic als „Bizarromant“ bezeichnet, soll eine dieser zurückgekehrten Seelen finden und den Grund für die Rückkehr herausfinden. Bei der Untersuchung stoßen Lerchenwald und sein Team auf eine eingemauerte Mädchenleiche, die schon seit Jahren vermisst wird. Fortan beginnt die Suche nach dem Mörder und einem möglichen Zusammenhang mit der Toteninsel sowie den zurückgekehrten Seelen.

Fremde Welt mit eigenen Regeln

Im Kern handelt es bei der Story in „Steam Noir“ um eine klassische Detektivgeschichte, welche geradlinig und ohne viel Überraschungen verläuft. Das Besondere ist das Zusammenspiel mit der von Mertikat und Schreuder entworfenen Fantasiewelt, die so komplex wie detailreich ist. Die künstlerische Ausarbeitung des Bandes hebt sich angenehm von der Masse ab und besticht durch kräftige Grau- und Brauntöne, wodurch der Band deutlich düsterer als Mertikats und Schreuders Vorgängerwerk ist.

Nach dem großen Erfolg von „Jakob“ sind die Erwartungen an „Steam Noir“ hoch. Allerdings lässt sich eine Abschlussarbeit der Filmakademie Ludwigsburg, welche stark an ein Storyboard erinnerte, nur schwer mit einem waschechten Comicprojekt zu vergleichen.

Tut man es dennoch, zeigt sich, dass Mertikat und Schreuder ihr Können deutlich weiterentwickelt haben: „Steam Noir“ bietet mehr Struktur und einen klareren Aufbau, obwohl manchen Sequenzen noch etwas wirr sind. Dennoch ist eine sichtliche Steigerung der beiden Ludwigsburger zu erkennen.

Wiedersehen mit „Jakob“

Steam Noir ist aber nicht nur eine Detektivgeschichte in einer fantastischen Welt, sondern erweist sich in manchen Abschnitt als überraschend sozialkritisch. So trifft Lerchenwald auf einen alten Kollegen, der Aufgrund eines Arbeitsunfalles nun ohne Verdienst und gesellschaftlichen Anschluss lebt. Auch die Kinder im Waisenhaus mit ihren mechanischen Prothesen und Verstümmelungen, denen der Ermittler begegnet, werden von der Öffentlichkeit abgelehnt. Dieser Seitenhieb auf gesellschaftliche Normen ist den beiden Künstlern gut gelungen. Auch wenn die Kritik nur am Rande aufgezeigt wird, so wurde sie perfekt in die Geschichte eingebaut. Für Fans von „Jakob“ gibt es sogar ein kurzes Wiedersehen mit dem blonden Jungen im bereits genannten Waisenhaus.

Überraschend ist auch das Format, welches vom Verlag Cross Cult gewählt wurde, der normalerweise auf A5 setzt: „Steam Noir“ erscheint als Din-A-4-Album. Durch Story, Aufmachung und Format des Comics ist klar, dass man mit „Steam Noir“ auch auf dem französischen Comicmarkt einsteigen will. Dort gibt es nicht nur deutlich mehr comicaffine Leser, ebenso befindet sich das Steampunk-Genre dort noch weiter auf dem Vormarsch. „Das Kupferherz“ ist der verheißungsvolle Auftakt für die „Steam Noir“-Serie und zieht den Leser vor allem durch die düstere Atmosphäre und seine beeindruckende Welt in seinen Bann.

Vielversprechender Auftakt: Das Cover des ersten Bandes der neuen Serie.
Vielversprechender Auftakt: Das Cover des ersten Bandes der neuen Serie.

© Cross Cult

Benjamin Schreuder und Felix Mertikat: Steam Noir 1: Das Kupferherz, Cross Cult, 64 Seiten, 16,80 Euro, zur Verlags-Website geht es hier. Einen Bericht unseres Autors Daniel Klein über die Arbeit an „Steam Noir“ gibt es unter diesem Link.

Veranstaltungshinweis: In der Berliner Gallerie „Ida Illuster“  (Sophienstraße 32, Berlin-Mitte) wird noch bis zum 25. November eine Ausstellung mit den aquarellierten Zeichnungen Felix Mertikats für „Jakob“ gezeigt.

Daniel Klein

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