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Unverwüstlich. Iron Man, im Kino ab Mai erneut von Robert Downey, Jr. dargestellt, gehört seit Jahrzehnten zum US-Superheldenrepertoire.

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Sekundärliteratur: Sei mein Held

Von Iron Man bis Kick-Ass: Superhelden haben Konjunktur. Ein fundierter Sammelband erklärt, wieso das Genre so populär ist – und was Barack Obama mit Superman verbindet.

Es begann als bunter Kindertraum und führte zu einer globalen Unterhaltungsindustrie: Gut 70 Jahre nach dem ersten Auftritt der Figur Superman in einem Comic-Heft erfreuen sich kostümierte Helden mit übermenschlichen Kräften ungebrochen großer Beliebtheit. Nicht nur im amerikanischen Comicmarkt sind ihre Geschichten weiterhin Bestseller, auch im Kino laufen sie diesen Sommer wieder zu Hochform auf – sei es ironisch gebrochen wie im kürzlich angelaufenen Film „Kick-Ass“, sei es mit stählernem Ernst wie bei „Iron Man“, dessen zweiter Kinofilm im Mai in die Kinos kommt. Einen guten Überblick über weitere bevorstehende Comicverfilmungen findet man auf den Seiten des Online-Fachmagzins Comicgate.

Wie kommt es, dass uns die Fanboy-Fantasien vergangener Generationen bis heute so viel bedeuten? Und was haben uns die aus der Frühzeit der US-Unterhaltungsindustrie stammenden Superhelden im 21. Jahrhundert noch zu sagen?

Diesen Fragen geht ein lesenswerter Sammelband nach, der 16 fundierte Aufsätze zum Thema vereint – und noch etliche Beiträge zu sachverwandten Themen dazu, denn es handelt sich um das aktuelle Science-Fiction-Jahrbuch aus dem Heyne-Verlag, das schon quantitativ als Superheld unter den Büchern zum Thema daherkommt: Knapp 1600 Seiten dick ist es, ein Viertel davon ist dem Schwerpunktthema „Quo Vadis, Superhelden?“ gewidmet.

Teenagerfantasien werden erwachsen

Darin findet man neben größtenteils sehr fundierten und gut zu lesenden Beiträgen zu historischen, psychologischen oder philosophischen Aspekten des Themas, die sich eher an fortgeschrittene Fans richten, auch ein paar sehr schöne allgemein zugängliche Einführungen ins Thema. So den Aufsatz „SciFi, Juden, Jugendliche“ von Lutz Göllner, Zitty-Kulturredakteur und Autor der Tagesspiegel-Comicseiten. Er schildert unterhaltsam und solide recherchiert, wie aus einem visualisierten Teenager-Traum eine globale Marke erwuchs. Neben hübschen Details zur Schöpfungsgeschichte der Figur Superman durch Jerry Siegel und Joe Shuster und einer treffsicheren Einordnung von Batman als Weiterentwicklung bereits aus Literatur und Filmen bekannter Figuren führt Göllner nachvollziehbar vor, wie die Superheldencomics als juvenile Auseinandersetzung mit Identität und Außenseitertum begannen, dann aber zunehmend erwachsen wurden und - nach einigen herben Rückschlägen durch übereifrige Zensoren in der Nachkriegszeit - in den 1970er und 80er Jahren den Boden für jene anspruchsvollen Comic-Auseinandersetzungen mit ernsthaften Themen bereiteten, die heute als Graphic Novels bezeichnet werden.

Was Barack Obama mit den Superhelden der Comicwelt verbindet, führen Ole Johan Christiansen und Thomas Plischke in einem gut recherchierten Aufsatz zum Wechselverhältnis von US-amerikanischer Politik und den Fantasiewelten des Comics vor. Sie attestieren den USA eine seit ihren Anfängen sehr ausgeprägte Kultur der politischen Heldenverehrung, die sie unter anderem mit dem posthumen Umgang mit George Washington belegen. Da sind die Superhelden quasi die logische Fortsetzung dieses heroischen, von starken Männern geprägten Weltbildes, und es verwundert kaum, dass im realen Leben zu Idolen stilisierte Figuren aus dem politischen Raum, vor allem John F. Kennedy, entsprechend heldenhafte Auftritte in den Comic-Heften ihrer Zeit absolvieren durften.

Terroristen im Weißen Haus

Ins gleiche Schema passt für die Autoren die Darstellung weniger beliebter Politiker als Superschurken – wofür eine herrliche, wenngleich in dem Buch leider zeitlich falsch zugeordnete Captain-America-Episode von 1974 ins Feld geführt wird. Der in den US-Nationalfarben kostümierte Held deckt darin die Verschwörung einer Terroristenbande auf, die sich an die Spitze der USA putschen wollte – mit einem Anführer, der dem damals noch amtierenden Präsidenten Nixon nachempfunden ist. Der war in den Jahren zuvor wegen der Watergate-Affäre und dem zunehmend unpopulären Vietnamkrieg in eine massive Vertrauenskrise geraten – einen Monat nach Erscheinen des Captain-America-Heftes trat Nixon als Präsident zurück.

In den 1980er Jahren erlebten Superhelden im Gefolge von „Watchmen“ dann eine neue, verschärfte Politisierung - aber die größte Welle an direkten Auseinandersetzungen mit der US-Regierung und dem Präsidenten erlebte die Comic-Welt erst mit Barack Obamas Kandidatur 2008. Die an den Präsidentschaftsbewerber gestellten politischen Erwartungen erhoben ihn quasi schon vor seiner Wahl in den Rang eines Superhelden, wie die Autoren ausführen. Sein Mantra „Yes we can“ und der damit verbundene umfassende Veränderungsanspruch erfordern eine Kraft, die ein gewöhnlicher Mensch alleine kaum aufbringen dürfte. Da war es nur logisch, dass Obama bei Spider-Man und in Dutzenden anderer Comic-Hefte als Held verewigt wurde.

Wer durch diese und die anderen Essays auf den Geschmack gekommen ist und Lust hat, zeitlose Heldengeschichten (wieder-) zu entdecken, die den Trends der Zeit getrotzt haben, der wird am Ende der Aufsatzsammlung von Sven-Eric Wehmeyer und Bernd Kronsbein mit einer gut ausgewählten, pointiert kommentierten Literaturliste versorgt, die deutlich macht: Die Helden haben noch lange nicht ausgedient.

Sascha Mamczak und Wolfgang Jeschke: Das Science-Fiction-Jahr 2009, Schwerpunkt: Quo Vadis, Superhelden?, Heyne-Verlag, 1594 Seiten, 29,95 Euro.

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