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Raum für Assoziationen: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Schreiber & Leser

„Stupor Mundi – Das Staunen der Welt“: Gefährliches Staunen

„Stupor Mundi“ des Comicautors Néjib ist ein Mittelalter-Thriller, der sich als Kommentar zu aktuellen, religiös aufgeladenen Konflikten lesen lässt.

Der Gelehrte Hannibal Qassim el Battuti kommt als Gast an das Castel del Monte. Das hat der von seinen Anhängern als das „Staunen der Welt“ (stupor mundi) gerühmte Kaiser Friedrich II. (1194 – 1250) den klugen Köpfen seiner Zeit als Refugium eingerichtet. Doch eine Erfindung des Wissenschaftlers aus dem Orient stellt die von Mönchen bewachte Ordnung infrage. Seine überhebliche Art tut ein Übriges, das Unheil nimmt seinen Lauf.

Der französische Comicautor Néjib, 1976 in Tunesien geboren, hat für seinen Mittelalter-Thriller „Stupor Mundi – Das Staunen der Welt“ skizzenhafte, filigrane Bilder geschaffen, die Raum für Assoziationen lassen. Vieles wird nur angedeutet, die pastellfarbene Kolorierung erzeugt differenzierte Stimmungen. 

Nach und nach wird das Trauma freigelegt

Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive der Tochter von Hannibal Qassim el Battuti, einem klugen Kind, das mit einem enormen Gedächtnis gesegnet und mit einem schweren Trauma belastet ist.

Während sich rund um die Entdeckung ihres Vaters ein Kampf zwischen Tradition und Aufklärung entfaltet, wird nach und nach die Ursache ihres Traumas freigelegt. Das wiederum führt zu einem Vater-Tochter-Konflikt, der im Kleinen jenen Kampf spiegelt, den der Vater im Großen mit seinen Gegenspielern im Kastell des Kaisers auszufechten hat.

Zu Gast am Castel del Monte: Die Hauptfigur von „Stupor Mundi“, Hannibal Qassim el Battuti, auf dem Buchcover.
Zu Gast am Castel del Monte: Die Hauptfigur von „Stupor Mundi“, Hannibal Qassim el Battuti, auf dem Buchcover.

© Schreiber & Leser

Das vermittelt Néjib auch visuell sehr anschaulich, indem sich die Erinnerungsfetzen des Kindes erst nach und nach auf dem Papier zu klaren Bildern zusammensetzen.

Zudem besticht seine Erzählung durch die kluge Wahl des Themas, das Hannibal Qassim el Battuti umtreibt: Er ist ein Pionier der frühen Fotografie – was Néjib viele Gelegenheiten gibt, das Thema der Bildschöpfung zeichnerisch innovativ zu bearbeiten.

Der Plot erinnert an Umberto Ecos „Der Name der Rose“

Die Figuren sind mit stark überzeichneten Charakterköpfen dargestellt, vor allem Hannibal Qassim el Battuti und sein wichtigster Gegenspieler auf Seiten der Mönche haben kantige Gesichter, in deren traurigem Ausdruck sich das zum Finale hin unvermeidliche Unglück schon früh erahnen lässt.

Der Plot erinnert an Umberto Ecos „Der Name der Rose“. Dank vieler eigener Ideen und durch eine unverwechselbare Ästhetik beeindruckt diese Erzählung jedoch als eigenständiges Werk, das sich zudem als Kommentar zu aktuellen, religiös aufgeladenen Konflikten lesen lässt. Mit „Stupor Mundi“ kann man einen der derzeit interessantesten Zeichner der französischen Comicszene jetzt auch hierzulande entdecken.

Néjib: Stupor Mundi – Das Staunen der Welt, Schreiber & Leser, 288 Seiten, 29,80 Euro

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