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© Doris Spiekermann-Klaas

Superhelden aus Berlin: Der Mutantenmacher

Marko Djurdjevic, 30, wohnt in Prenzlauer Berg – und ist der einzige deutsche Star in der internationalen Comic-Szene. Dabei haben ihn Comics anfangs gar nicht interessiert.

Ein steinerner Hammer fliegt dem Betrachter entgegen, massiv wie ein Felsblock. Dahinter stürmt dramatisch ausgeleuchtet ein behelmter Kämpfer voran, man meint fast, seinen Schrei zu hören. So dynamisch tauchte der Comic-Held Thor vor einiger Zeit auf dem Titel eines Marvel-Comics auf. Das Heft wurde zum Bestseller, der Zeichner des Titels und der dazugehörigen Geschichte stieg zu einem Star der internationalen Comic- Szene auf, der von Comic-Lesern dies- und jenseits des Atlantiks gefeiert wird. Und das, obwohl er eigentlich anfangs gar keine Comics zeichnen wollte.

„Ich wollte ein guter Künstler werden, Comics haben mich eigentlich nie besonders interessiert“, sagt Marko Djurdjevic, 30, in seinem Atelier in Prenzlauer Berg. Hierher ist er, nach einigen Jahren in den USA, vor drei Jahren mit seiner Frau Jelena Kevic-Djurdjevic – ebenfalls Comic- Zeichnerin – gezogen, weil die beiden ihre Kinder nicht in den USA, sondern lieber in Deutschland aufwachsen lassen wollten. Vergangenen Sommer kam ihr Sohn Adrian zur Welt.

Djurdjevic, dessen kunstvoll wilder Look einen Kontrapunkt zu seiner bemerkenswert freundlichen Art setzt, ist der einzige Deutsche, der es in die Spitzenliga einer Unterhaltungsbranche geschafft hat, die von Amerikanern dominiert wird und die bis heute als ein Synonym für amerikanische Populärkultur gilt: Superhelden-Comics. Der 30-Jährige ist Titelzeichner bei Marvel, einem der zwei weltweit größten Comic-Konzerne. Seit Jahrzehnten spinnt dieser die modernen Märchen weiter um Figuren wie Spider-Man, die X-Men, Daredevil oder eben den einer nordischen Göttersage entsprungenen Hammer-Helden Thor, in Comic-Form und auch im Kino. Um die jahrzehntealten Figuren vor allem jungen Lesern schmackhaft zu machen, engagiert Marvel immer wieder neue Zeichner, die mit einem frischen Zugang den immer gleichen Grundmustern der Heldengeschichten neues Leben einhauchen.

Binnen weniger Jahre, schneller als je ein anderer Zeichner, hat sich Djurdjevic mit seinem an klassischer Malerei geschulten Stil nach oben gearbeitet, gerade hat er sein 170. Cover mit Bleistift gezeichnet und ihm am Computer das Aussehen eines Öl- oder Acrylgemäldes gegeben.

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Alte Schule. Marko Djurdjevic ist der Maler unter den Marvel-Zeichnern. Jetzt würdigt ein Kunstbuch den beispiellosen Aufstieg des Berliners.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Marvel-Verlag weiß, was er an Djurdjevic hat: Heute kommt ein aufwendiges Kunstbuch in den Handel, das neben diversen Titelbildern aus Djurdjevic’ Atelier die Reinzeichnungen für seine erste komplette Comic-Geschichte enthält, besagtes Thor-Abenteuer. „Als die ersten Seiten von Thor bei mir ankamen, war sofort offensichtlich, dass Marko nicht nur hervorragende Titelbilder gestalten kann, sondern auch ein begnadeter Erzähler ist“, sagt sein Marvel-Chef, Warren Simons. Der Amerikaner schwärmt in höchsten Tönen vom „ungeheuren Talent“ des Zeichners, seinen „einzigartigen, dynamischen Bildern“, seiner „kinetischen Energie, die die Seiten zum Knistern bringt“ – auch in der an Superlative gewöhnten Comic-Welt kein alltägliches Lob.

Der Geehrte sieht das als Ansporn. „Ich bombe den Markt zu“, sagt Marko Djurdjevic lächelnd und strahlt dabei jene Mischung aus an Besessenheit grenzendem Ehrgeiz und spielerischer Leichtigkeit aus, die auch seine Bilder auszeichnet.

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Daredevil, made in Berlin. Eines von rund 170 Djurdjevic-Titelbildern.

© Illustrationen: Djurdjevic, aus dem besprochenen Buch.

Seit früher Kindheit war er überzeugt davon, ein Künstler zu werden. Mit elf besorgte der in Koblenz aufgewachsene Sohn serbischer Einwanderer sich ein Anatomiebuch. „Wie ein Wahnsinniger“ begann er, den menschlichen Körper mit dem Zeichenstift zu erkunden. Er brachte sich den Umgang mit Öl und Acryl bei, lernte die Bedeutung von Licht, Tonalität und Form, immer getrieben davon, ein besserer Künstler zu werden. Bis heute gibt es kaum Tage, an denen er mit seiner Arbeit zufrieden ist.

Dass es die nicht gerade als klassische Kunstgattung anerkannte Comic-Welt ist, in der Djurdjevic zum Star aufstieg, war Zufall. Vor gut drei Jahren – er lebte in San Franciso und arbeitete als Charakterentwickler für Videospiele – war Djurdjevic zu Besuch bei einem Freund in Deutschland. Eines Nachts saßen sie in der Küche und der Freund, ebenfalls Zeichner, forderte ihn zum Duell heraus: Wer entwirft die besseren neuen Looks für klassische Comic-Figuren? Djurdjevic schnappte sich einen Stift, legte ein paar frische Zeichnungen der in die Jahre gekommenen Mutanten-Truppe „X-Men“ hin und stellte sie später aus einer Laune heraus ins Internet. Dort entdeckte sie jemand vom Marvel-Konzern, man bot ihm einen Exklusiv-Vertrag an, der Rest ist Comic-Geschichte.

Das Buch „Thor“ mit einer Auswahl von Djurdjevics Titeln und den Vorzeichnungen zu seinem Thor-Comic erscheint auf Deutsch im Panini-Verlag, 100 Seiten, 29,95 Euro.

Djurdjevics Blog im Netz: sixmorevodka.blogspot.com

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