zum Hauptinhalt
Unkaputtbar: Batman, wie Jim Lee ihn sieht.

© DC

Superhelden-Comics: Rolle rückwärts in die Zukunft

Alles auf Anfang: DC startet seine Helden-Serien komplett neu. Und künftig erscheinen die Abenteuer von Superman, Batman & Co. auf Papier und im Netz simultan. Aber nicht alles ist so frisch, wie es den Anschein hat.

„Comics“, das hat vor einigen Jahren schon der alte Zyniker Frank Miller erkannt, „sind inzwischen doppelt so teuer wie ein nuklearer Sprengsatz – und machen nur noch halb so viel Spaß.“ Das bekam der US-Comicmarkt in den vergangenen Jahren immer stärker zu spüren: Während auf der einen Seite die Preise stiegen, sanken andererseits die Auflagen. Die Preissteigerung lag – je nach Verlag und Serie – zwischen 500 und 800 Prozent.

Inzwischen ist die Lage dramatisch geworden: Betrug die Auflagengrenze bei der Serien eingestellt wurden 1990 noch18.000 verkaufte Exemplaren, so leistete sich speziell der zum Warner Konzern gehörende DC-Verlag immer mehr Serien mit Miniauflagen. Gerade mal 4000 Leser fand die hervorragende Reihe „Exterminators“, die sich nur rechnete, weil die Verkäufe der Sammelbände stimmten.

Ein anderer Trick, den speziell der Batman- und Superman-Verlag DC in den vergangenen Jahren bis zur Vollkommenheit beherrscht, sind die Mega-Crossovers, Stories, die sich durch Dutzende Serien mit bis zu 140 Einzelheften zogen. Mit diesem Trick wurden Komplett-Sammler gezwungen, auch auflagenschwache Hefte zu kaufen. Diese Crossover gehen seit 2006 nahtlos ineinander über: Aus der „Infinite Crisis“ wurde „52“, das wurde zur „Final Crisis“, die wiederum in die „Blackest Night“ und den „Brightest Day“ führten, immer mit dem Verlagsversprechen unterfüttert: „Nichts wird nachher so sein, wie vorher...“

Das neueste Mega-Crossover nun heißt „Flashpoint“ und führt (mal wieder) zu einem scheinbar radikalen Neustart des gesamten DC-Universums: Alle Superheldenserien, auch „Superman“ und „Batman“, die seit ihrem Start Ende der 30er Jahre ununterbrochen liefen und Heftnummern um die 900 erreicht hatten, wurden im August eingestellt und werden im September neu gestartet. In dieser Woche war es die „Justice League“, die den Neustart anführte, nächste Woche folgt die Superman-Serie „Action Comics“.

Profit um jeden Preis

Heldin mit Ecken und Kanten: Wonder Woman wird von Zeichner Cliff Chiang wiederbelebt.
Heldin mit Ecken und Kanten: Wonder Woman wird von Zeichner Cliff Chiang wiederbelebt.

© DC

Retro-Held: Superman, wie George Pérez ihn sieht.
Retro-Held: Superman, wie George Pérez ihn sieht.

© DC

Der britische Autor Mark Millar, der für beide großen US-Verlag gearbeitet hat, zeigte in einem Interview mit Journalisten der Internetseite www.bleedingcool.com durchaus Verständnis: „Die Verlage stehen unter Druck von oben. Und da heißt es eben: Gucken wir doch mal, was in den letzten drei Monaten finanziell gut funktioniert hat. Das war dann das Megacrossover, also machen sie in drei Monaten noch eins.“ Und der Druck muss groß sein, denn der konkurrierende Marvel-Verlag, der seit 2009 zu Disney gehört, hat mit „Iron Man“, „Thor“, Captain America“ und den „X-Men“ gerade einen Kinohit nach dem anderen, DC hat nur „Batman“. Also muss DC Profit machen, um jeden Preis. Auf die Idee, weniger zu produzieren, dafür mehr auf Qualität zu achten kommt keiner.

Denn auch dieser neue Reboot kommt als alter Wein in neuen Schläuchen daher. Für die „Justice League“ zeichnet der Vielschreiber Geoff Johns verantwortlich und – Überraschung! – das Team besteht aus den üblichen Verdächtigen: Superman, Batman, Wonder Woman, Flash, Green Lantern, usw. usf. „Action Comics“ wird von dem Briten Grant Morrison geschrieben, dessen „Superman“-Neuinterpretation „All-Star“ gerade mal vier Jahre her ist. Er verspricht einen Superman, der sich eher an Bruce Springsteens Proll-Helden orientiert. Die andere „Superman“-Serie betreut der kurz vor der Rente stehende George Perez, der sich seit Anfang der 80er Jahre immer wieder im DC-Universum tummelt.

Jüngere, innovativere Autoren wie Greg Rucka und Ed Brubaker wurden systematisch vergrault, James Robinson, der die „Justice League“ vor dem Relaunch schrieb und dort viele interessante Nebenfiguren einführte, wird mit einer Nebenserie wie „Shade“ abgespeist. Rein inhaltlich geht es also zurück in die 70er: Supi ist wieder jung und unverheiratet, Barbara Gordon ist wieder Batgirl, die Justice Society residiert wieder auf Erde 2, nur die Kostüme sind neu gestaltet.

Zumindest die Vorbestellzahlen erreichen Rekordhöhen

Aber wenigstens vertriebstechnisch betritt DC Neuland, denn mit dem Neustart erscheinen die Serien in Zukunft in zwei Versionen: als normales Heft, dass man im Laden kaufen kann und als digitale Version im Internet. Laut DC-Vertriebschef Bob Wayne will man die Online-Preise bereits nach einem Monat drastisch reduzieren: Kostet das neue „Superman“-Heft am Erscheinungstag noch drei Dollar, so wird es einen Monat später, wenn die nächste Ausgabe angeboten wird, schon für einen Dollar weniger herunter ladbar sein.

Eine clevere und innovative Strategie, denn im Flächenland USA muss man oft viele hundert Kilometer fahren, um zu einem Comicladen zu gelangen. Gleichzeitig wird durch die Ausschaltung des Händlers natürlich der Gewinn größer.

Die Rechnung scheint aufzugehen, für die ersten Ausgaben des Relaunch hat DC Bestellzahlen von 200.000 Exemplare pro Heft vermeldet. Das heißt jedoch nur, dass in den nächsten Wochen so viele Hefte in den Comicläden rumliegen, an Leser verkauft sind sie noch nicht. Und sollte der Neustart auch nichts nutzen, im nächsten Jahr kann man bestimmt wieder ein Mega-Crossover initiieren, bei dem danach nichts mehr ist, wie vorher, außer dass die alte Nummerierung wieder eingeführt wird...

Mehr zum Neustart auf der Website des DC-Verlages. In Berlin gibt es die neuen Hefte u.a. beim Comicladen Grober Unfug und bei Modern Graphics.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false