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Handarbeit: Eine Szene aus "Hush" - oben Lees Originalzeichnung, unten das fertig bearbeitete Bild.

© Pannini

Superheldencomics: Das Knurren des Zeichners

Auf der Suche nach dem perfekten Übermenschen: Die Monographie „Ikonen“ zeigt die Kunst des Superhelden-Erneuerers Jim Lee.

Jim Lee ist zumindest in ästhetischer Hinsicht so etwas wie der Arno Breker der Superhelden-Comics. Wie einst die Skulpturen des von den Nazis verehrten deutschen Bildhauers, sind seine monumentalen Darstellungen von Figuren wie Superman, Batman oder Wonder Woman den heroischen Körperdarstellungen der Antike und der Renaissance nachempfunden. Und so wie Breker einst nach der perfekten Darstellung eines (Über-) Menschen ohne jegliche Unebenheit suchte, so hat auch Jim Lee – natürlich unter anderen weltanschaulichen Vorzeichen – in den vergangenen 20 Jahren die ästhetische Perfektionierung der Comic-Übermenschen vorangetrieben.

Wie weit der 1964 geborene Zeichner es dabei gebracht hat, zeigt neben wegweisenden Erzählungen wie „Batman: Hush“ (2003, Autor Jeph Loeb) oder „Superman: For Tomorrow“ (2005, Autor Brian Azzarello) und Superheldencomics aus Lees eigenen Verlagen Image und Wildstorm jetzt eine großformatige Monografie über sein Wirken.

„Ikonen“ heißt sie, und der Titel bringt Lees stilistische Besonderheit auf den Punkt: Seine Figuren scheinen aus reiner, wohlproportionierter Muskelmasse zu bestehen.

Wie Lee diese Comic-Heiligenbilder schafft, davon vermittelt der opulente Band einen Eindruck, indem Bleistiftskizzen und verschiedene Schritte des zeichnerischen Prozesses den endgültigen Bildern gegenübergestellt werden. Ergänzt werden sie durch kenntnisreiche wenngleich manchmal etwas sehr euphorische Texte des Comic-Journalisten William Baker.

Elegant und beweglich trotz Körperpanzer

Bleistift, Aquarell, Tusche und Tipp-Ex – das sind die Zutaten, aus denen Lee, der inzwischen beim DC-Verlag hauptsächlich als Comic-Herausgeber wirkt, einige der eindrucksvollsten Superhelden-Szenen der vergangenen Jahrzehnte geschaffen hat. Vor allem die Figur des Batman hat davon profitiert, der bei Lee trotz seines Körperpanzers unglaublich konzentriert, elegant und beweglich aussieht, wenn er sich an einem Seil durch die Häuserschluchten Gotham Citys schwingt.

Übermensch: Eine Superman-Skizze aus Lees Atelier.
Übermensch: Eine Superman-Skizze aus Lees Atelier.

© Illustration: Lee/Panini

Lee schafft es, Figuren in physiologisch unmöglich scheinenden Posen zu zeichnen, die im echten Leben oder im Film peinlich aussähen – im Comic mit seiner einmaligen Verbindung aus Dynamik und Starre funktionieren sie. Auch die im Superheldengenre mit seinen anachronistischen Rollenbildern üblichen grotesken Kostüme - bei weibliche Figuren oft kaum mehr als knappe Reizwäsche, bei männlichen Figuren meist Ganzkörperlatex – vermögen Lee und seine Mitarbeiter, allen voran Reinzeichner Scott Wiliams und Kolorierer Alex Sinclair, mit großer Eleganz aufs Papier zu bringen.

Dass Lees Zeichnungen trotz der Statik seiner Figurendarstellungen bemerkenswert lebendig wirken, liegt wohl auch daran, dass der Zeichner während der Arbeit emotional offenbar ganz bei der Sache ist, wie man hier erfährt. Manchmal, so Lee in einem der kurzen Interviewauszüge zwischen den Bildern, stelle er fest, dass er beim Zeichnen mit den Zähnen knirsche oder knurre. „Für mich ist das ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass ich mir die Szene, die ich mal, genau vorstelle, dass ich den Gefühlszustand der Figuren, die ich zu zeichnen versuche, exakt vor Augen habe.“

Jim Lee mit William Baker: Ikonen, aus dem Amerikanischen von Justin Aardvark, Panini Comics, 300 Seiten (Hardcover, Coffeetable-Format), 59 Euro

 

 

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