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Im Fadenkreuz: Eine Szene aus dem besprochenen Buch.

© Promo

Syrien-Comic „Freedom Hospital“: Unter Einsatz ihres Lebens

In „Freedom Hospital“ erzählt der Künstler Hamid Sulaiman vom Krieg in Syrien. Am Sonntag stellt er das Buch in Berlin vor.

Desertierte Soldaten, Folteropfer, Kriegstraumatisierte – für eine Handvoll syrischer Oppositioneller ist das „Freedom Hospital“ die letzte Rettung. In der Untergrundklinik helfen ihnen Freiwillige unter Einsatz ihres Lebens, angeleitet von der jungen Pharmazeutin Yasmin, die sich der Revolution gegen das Assad-Regime verschrieben hat. Am Beispiel dieser und weiterer fiktiver, aber von der Realität inspirierter Figuren gibt der in Paris lebende syrischen Künstler Hamid Sulaiman in seinem Comic-Debüt tiefe Einblicke in die Folgen des syrischen Bürgerkrieges.

Eine der Stärken der Kunstform Comic liegt darin, Unsichtbares sichtbar zu machen. In „Freedom Hospital“ ist das vor allem der Alltag von Yasmin, ihren Mitstreitern und ihren Gegenspielern. In tiefschwarzen Bildern voller harter Kontraste und mit oft nur schemenhaft gezeichneten Figuren erzählt der 1986 geborene Sulaiman vom Krankenhausalltag in ständiger Angst vor der Entdeckung durch Regierungstruppen.

Seine Figuren agieren dabei wie auf einer Theaterbühne, ihre Posen und ihr Ton sind oft deklamatorisch, was beim Verständnis der komplexen Gemengelage hilfreich ist. Denn so, wie sich die Fronten in diesem Mehrparteienkrieg ständig verschieben, so ändern sich auch Beziehungen, Loyalitäten und Allianzen der Akteure im Verlauf der Geschichte.

Der Künstler musste 2011 selber aus Syrien fliehen

Die Figur der in Frankreich aufgewachsenen Dokumentarfilmerin Sophie taucht stellvertretend für die Leser in diese bedrohliche Welt ein. Sie nimmt uns mit zu geheimen Treffen und Demonstrationen, durchlebt Bombenangriffe und Exekutionen von Regimegegnern. Der Autor macht aus seiner Sympathie mit den Regimegegnern keinen Hehl, vermittelt dabei aber auch die Konflikte und Widersprüche zwischen den unterschiedlichen Oppositionsgruppen.

Die Zeichnungen wirken teils dokumentarisch wie verfremdete Zeitungsfotos, teils wie rohe Holzschnitte, an anderen Stellen auch abstrakt und allegorisch. Vieles wird nur angedeutet, was nicht in jedem Fall ein als solches erkennbares Stilmittel ist. Manche Szenen sind schlicht ungelenk gezeichnet, Anatomie und Perspektiven sind keine Stärke des Künstlers.

Nah an der Realität: Das Cover des besprochenen Buches.
Nah an der Realität: Das Cover des besprochenen Buches.

© Hanser

Die große Besonderheit des Buches liegt vor allem darin, dass Sulaiman offensichtlich ganz nah an seinen Figuren und ihrem Schicksal ist und genau weiß, wovon er erzählt. Er vermittelt eine unmittelbare Betroffenheit, die sich offensichtlich vor allem aus persönlicher Erfahrung speist. So musste der Künstler 2011 selber aus Syrien fliehen. Gewidmet ist „Freedom Hospital“ einem Freund, dem das nicht mehr gelang: Er wurde von der syrischen Geheimpolizei zu Tode gefoltert.

Hamid Sulaiman: Freedom Hospital, Hanser, 288 Seiten, 24 Euro

Veranstaltungshinweis: Hamid Sulaiman ist am 10. September beim Graphic Novel Day des Internationalen Literaturfestivals Berlin zu Gast. Hier das komplette Programm, weitere Informationen auf der Website der Veranstalter:

10.09., Haus der Berliner Festspiele (Schaperstraße 24, 10719 Berlin):
10:00 Uhr: Amruta Patil [Indien/F] behandelt in »Sauptik. Blood and Flowers« die Schönheit als Mittel des Widerstandes
11:00 Uhr: Burcu Türker [D], Ahmed Mohammed Omer [Eritrea/D] und Lilian Pithan [D] präsentieren das Projekt »Alphabet des Ankommens«
12:00 Uhr: Javier de Isusi [E]: »Ich habe Wale gesehen« und Hamid Sulaiman [Syrien/F]: »Freedom Hospital«
13:00 Uhr: Berliac [Argentinien/D] und Inga Steinmetz [D] diskutieren den Manga als Weltsprache
14:00 Uhr: Buchpremiere: In »Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein« schildert Ulli Lust [A/D] den Weg einer lebensgierigen Anarchistin im Wien der 90er Jahre
15:15 Uhr: Romain Renard [B] präsentiert sein multimediales Comic-Meisterwerk »Melvile«
16:30 Uhr: Buchpremiere: Nicolas Mahler [A] interpretiert Prousts Meisterwerk »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« neu

Ticket (gilt für alle Veranstaltungen dieses Tages): 8 Euro / ermäßigt 6 / Schüler 4, erhältlich hier.

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