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Peng! In diesem Selbstporträt auf seinem Buchcover nimmt Bunk schon den Namen des Preises vorweg, mit dem er an diesem Wochenende beim Comicfestival München ausgezeichnet wird.

© Comicplus+

Tomas Bunk: Mad in Germany

Ein Leben für den Comic, in Berlin und New York: Gerhard Seyfried über seinen Kollegen Tomas Bunk, der jetzt auf dem Comicfestival München mit einem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird.

Wenn ich an Tomas Bunk denke, taucht das Jahr 1983 aus bunten Nebelschwaden der Vergangenheit auf. Da erschien unser Berliner-Zeichner-Sammelband „Irrwitz“ mit Comics von Tomas Bunk, Hansi Kiefersauer, Wolfgang Stein, Detlef Surrey und meiner Wenigkeit. Tomas, geboren 1945 im kroatischen Split war da schon zehn Jahre in Berlin. Sein Comic „Liebestoll“, fietschering den verknallten K. Dose, die Leopardenfell- Thusnelda Walli und Kramer, den Geheimagenten mit dem DIN-A-4-Kinn, in einem Berlin aus Mauer, Hochbahn und Mülltonnen, war und ist für mich der irrwitzigste und gekonnteste im ganzen Machwerk.

O-Ton Tomas im „Liebestoll“-Titel: „Heiße Leidenschaften – Eiskalte Schultern – Hart, offen, gnadenlos – Liebe, Tod, das Übliche!“ Ebenfalls 1983 zeichnete er mit den Berliner Kollegen Boyke, Detlef Surrey, Fuchsi und Harald Juch das Album „Friede, Freude, Eierkuchen“.

Ein Gehirn wäscht das andere

Eher nebulös erinnere ich mich an Herumgeistereien mit Tomas in Kreuzberg und Schöneberg, an gemeinsame Begegnungen mit Gilbert Shelton („The Fabulous Furry Freak Brothers“) und kreative Herumblödel-Abende im blauen Dunst von Faserpflanzen-Räucherstäbchen unter dem Comiczeichner-Motto „Cerebrum Cerebrum Lavat“ (Ein Gehirn wäscht das andere).

Im Herbst 1983 entschwand Tomas nach New York, und Berlin hatte einen wirklich begnadeten Zeichner weniger. Wie und warum er entschwand, habe ich erst viel später aus seinen Comics erfahren. Seinen Werdegang als Zeichner und die entzückende Liebesgeschichte mit Hinda, seinem Lockvogel nach New York, erzählt Tomas Bunk selbst am besten in dem soeben bei Comicplus+ erschienenen Doppelband „Comixzeichner in Berlin / Ein Berliner in New York“ (64 S., 15 €).

Jede Buchhälfte fängt mit einem doppelseitigen farbigen Wimmelbild an, herrliche Zeichenorgien, an denen ich mich gar nicht sattsehen kann. Dann folgen 60 Seiten autobiografischer Comic vom Feinsten. „Comixzeichner in Berlin“ ist die wunderbar skurrile Geschichte seiner Wanderjahre, seiner künstlerischen Entwicklung, Begegnungen mit Zeichnerkollegen und Abenteuer im Berlin der 70er und frühen 80er Jahre. Damals war die ummauerte Stadt noch ein großartiger Abenteuerspielplatz, und wir können mit der Comicfigur Tomas noch einmal an der Mauer langschlurfen und unter den Yorckbrücken durch, vorbei an besetzten Häusern und vergessenen Kneipen wie der „Ruine“ am Winterfeldtplatz.

„Mäuse gibt's nicht! Nur Ruhm und Ehre“

Die Zeichnerei war schon immer eine brotlose Kunst, zumindest am Anfang einer Karriere, und auch Tomas sah sich zu allerlei branchenfremden Tätigkeiten gezwungen, unter anderem als Totengräber auf dem St. Matthäus Kirchhof in Schöneberg auf der Roten Insel.

Ab 1974 ging es wieder aufwärts, als seine Comics in der Satirezeitschrift „Pardon“ erschienen. Fünf Jahre lang lieferte er dazu unzählige Cartoons, Wimmelbilder und Nonsenstexte, bis das Blatt 1979 eingestellt wurde. Nun brachen wieder magere Zeiten an. Mit den Frankfurtern Volker Reiche, Bernd Pfarr und Michael Gutmann zeichnete er für deren Comicheft „Hinz & Kunz“, das im Volksverlag erschien, immerhin fünfmal. Dann war auch da die Luft raus. Die Kollegen hatten ihn gleich am Anfang gewarnt: „Mäuse gibt's nicht! Nur Ruhm und Ehre.“

Neue Welt, neues Leben: Bunk auf dem Rück-Cover des in beide Richtung lesbaren Buches über seine Karriere als Comiczeichner.
Neue Welt, neues Leben: Bunk auf dem Rück-Cover des in beide Richtung lesbaren Buches über seine Karriere als Comiczeichner.

© Comicplus+

Im Oktober 1983 wandert Tom dann in der wildfremden Megacity New York herum und grübelt, wie er überleben könnte. Schließlich sucht er auf gut Glück Art Spiegelman auf, den Herausgeber des „RAW“- Magazins und „Maus“-Zeichner: „Hallo! I am a comic artist from Germany!“ Das lässt mich grinsen: Genau so hatte ich mich 1978 in San Francisco den Zeichnern der „Freak Brothers“ vorgestellt. Von da an zeichnete Tom für „RAW“. Mit Art Spiegelman arbeitete er an den „Garbage Pail Kids“, Horror-Sammelkarten und Aufklebern für Kinder, die so erfolgreich wurden, dass sogar ein Film entstand.

Er lernt den „MAD“-Gründer Harvey Kurtzman kennen und zeichnet seit 1990 regelmäßig für das Magazin. Heute lebt er mit seiner Frau Hinda in New Rochelle bei New York – und wird an diesem Sonnabend auf dem Comicfestival München für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Gerhard Seyfried ist der Verfasser vieler Comics und Romane – und in diesem Jahr Jurypräsident des Comicfestivals München. Dort gibt es am Sonnabend um 15 Uhr vor der Verleihung des Peng!-Preises an Tomas Bunk für sein Lebenswerk ein Künstlergespräch mit Bunk und Seyfried

Gerhard Seyfried

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