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Kultur: Coming out auf Capri Arnold Stadlers Roman „Komm, gehen wir“

Da kann ein junger Mensch schon mal ins Grübeln kommen, wenn er das Leben, die Liebe und das Schreiben darüber in ein Verhältnis bringen soll: „Vielleicht war es doch leichter, einen Liebesroman zu schreiben, als zu leben“, überlegt sich Roland, einer von drei Helden aus Arnold Stadlers neuem Roman „Komm, gehen wir“. Nur um später auf den Gedanken zu kommen: „Vielleicht war es sogar leichter, einen Liebesroman zu schreiben, als zu lieben“.

Da kann ein junger Mensch schon mal ins Grübeln kommen, wenn er das Leben, die Liebe und das Schreiben darüber in ein Verhältnis bringen soll: „Vielleicht war es doch leichter, einen Liebesroman zu schreiben, als zu leben“, überlegt sich Roland, einer von drei Helden aus Arnold Stadlers neuem Roman „Komm, gehen wir“. Nur um später auf den Gedanken zu kommen: „Vielleicht war es sogar leichter, einen Liebesroman zu schreiben, als zu lieben“. Und wahrscheinlich, räsoniert Roland noch einmal später, „war es sogar leichter, einen Liebesroman zu schreiben, als die Liebe zu leben“. Ob es nun wirklich so leicht war, diesen Liebesroman zu schreiben, darüber schweigt sich Roland aus, er schreibt ihn jedenfalls und wird ein Schriftsteller, ein „Chronist des Unglücks, das als Glück gedacht war“.

Natürlich weiß man auch nicht, wie viel Mühe es den 53-jährigen Schriftsteller und Büchner-Preisträger Arnold Stadler gekostet hat, seinen Roman „Komm, gehen wir“ zu schreiben. Man weiß aber, dass Stadler seit seiner 1994 abgeschlossenen Romantrilogie „Ich war einmal“, „Feuerland“ und „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“ ein Meister des autobiografischen Schreibens und Umschreibens ist. Und dass Roland, im Übrigen ein Anagramm von Arnold, viel von Stadler hat, vom Geburtsjahr über die ländliche Herkunft bis zur Schriftstellerwerdung. Und, was man nach der Lektüre auch weiß: dass man gerade einen ziemlich grandiosen Liebesroman gelesen hat; ein fabelhaftes Beglückungsbuch über die Vergeblichkeit der Liebe und das Glück, Liebe empfinden zu können, dem man inständigst wünscht, den Schmus von Pascal Mercier bis zu Cecelia Ahern mit Verve von den Bestsellerlisten verdrängen zu können.

„Komm, gehen wir“ erzählt die komplizierte Geschichte einer Dreiecksbeziehung von zwei Männern, Roland und Jim, und einer Frau, Rosemarie. Dreiecksbeziehungen sind per se kompliziert genug. Doch kompliziert ist diese Geschichte auch deshalb, weil in ihr gleichzeitig ein schwules Coming out mitverhandelt wird und dazu der Hintergrund von Stadlers Helden ein gelebt katholischer ist. Das geht bis zum Konklave im Vatikan, hier warten die drei auf den weißen Rauch und die Ausrufung von Johannes Paul I. zum Papst. Stadler aber erzählt im Gegensatz zu diesen Komplikationen seine Liebesgeschichte hüpfend leicht, ja geradezu schelmisch, mit Untertönen, die genauso hübsch ironisch wie sanft melancholisch wie drängend grüblerisch sind, und er erzählt sie mit dem festen Willen zu vielerlei Abschweifungen.

Der Roman beginnt zwar an einem Sommertag des Jahres 1978 auf Capri, wo die 23 Jahre jungen Roland und Rosemarie urlauben, den jungen Amerikaner Jim kennenlernen und sich sofort in ihn vergucken, als er sie um einen Schluck Wasser bittet. Schon hier aber erlaubt es sich Stadler, Rolands vermeintlich aus der Art geschlagene Tante Paula vorzustellen, nur um dann lang und breit die Vorgeschichten von Roland, Rosemarie, Jim und ein paar anderen zu erzählen. „Davon später“, heißt es oft, wenn sich das Drama der Liebe anzudeuten beginnt. Oder, immer wenn sich die Dinge zu weit von der Liebe zu dritt entfernen: „Dann verschwand die Person aus dieser Geschichte.“ Nur übt man sich als Leser gern in der Kunst des Wartens, gerade weil die Abschweifungen Stadlers so meisterhaft locker, hintergründig und spöttisch aufbereitet sind, etwa die großartigen Milieustudien in der südbadischen Provinz bei einer Hochzeit in Rolands Heimatort Himmelreich.

Es geht natürlich nicht gut aus mit dieser Liebe. Der Dritte, Jim, geht bald wieder nach Amerika, und Roland und Rosemarie bekommen zwar den Bogen, aber nur um des lieben Scheins und der weiteren Selbstfindung ohne den anderen willen. Was bleibt, ist ein kurzer Rausch, eine Zeit des Glücks, die sich erst in der Erinnerung als eine solche herausstellt. Und es bleibt auch die Einsicht, dass vor dem Schreiben von grandiosen Liebesromanen erst die Liebe und das Leben gekommen sein müssen.

Arnold Stadler: Komm, gehen wir. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007, 396 Seiten, 18,90 €.

Arnold Stadler liest heute um 19.30 Uhr in den Museen Dahlem, Lansstraße 8.

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