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Michael Fassbender als Aguilar in einer Szene des Films "Assassin's Creed".

© Twentieth Century Fox/Ubisoft Motion Pictures/dpa

Computerspiele als Kinofilme: Jagd nach dem Edensplitter

Computerspiele machen einen Riesenumsatz, aber ihre Verfilmungen sind oft Flops. Zum Kinostart von "Assassin's Creed" - alles über Risiken und Nebenwirkungen der Game-Adaptionen.

Soldaten hetzen Aguilar da Nerha über die Dächer der mittelalterlichen Stadt. Der Assassine sitzt in der Falle, vor ihm gähnt ein Abgrund. Seine Entscheidung fällt in Sekundenbruchteilen: Aguilar breitet die Arme aus, drückt das Kreuz durch und lässt sich todesmutig vornüber kippen. Der endlose Sturz endet in einem Heuhaufen – und Aguilar entkommt seinen Verfolgern.

Der leap of faith („Sprung des Vertrauens“) ist eins der Markenzeichen von „Assassin’s Creed“. Die überaus erfolgreiche Computerspiel-Reihe – rund 100 Millionen verkaufte Exemplare – schildert den jahrhundertelangen Machtkampf zwischen zwei Orden, den Templern und den Assassinen. Jetzt läuft der Film zum Spiel in den deutschen Kinos, trotz Starbesetzung mit Michael Fassbender und Marion Cotillard ist auch er selbst so etwas wie ein leap of faith – für die Produzenten.

Computerspiele gelten als schwer verfilmbar, die Liste der Flops ist lang. Schon eine der frühesten Verfilmungen ging in die Latzhose, „Super Mario Bros.“ von 1993. Mit der fröhlichen Welt von Nintendo hatte die finstere Dystopie nichts gemein: Mario (Bob Hoskins) und Luigi (John Leguizamo) kaspern sich durch Dinohattan, regiert vom neurotischen König Koopa (Dennis Hopper). Der chaotische Mix aus Klempnerei, Blade-Runner-Look, Dinosauriern und Pilzbefall verschlang 50 Millionen Dollar für die Produktion – eine erkleckliche Summe.

Nur selten fanden halbwegs akzeptable Adaptionen ins Kino

Der Misserfolg hielt Hollywood nicht davon ab, weiter Games zu verfilmen. In den Neunzigern knöpfte sich die Industrie vor allem Prügelspiele vor, in schneller Folge entstanden Filmfassungen von „Double Dragon“, „Street Fighter“, „Mortal Kombat“. Sie versuchten gar nicht erst, die dünnen Plots erzählerisch auszugestalten; stattdessen setzten sie auf eine Aneinanderreihung von Kampfszenen, trashige Spezialeffekte und ActionGrößen wie Jean-Claude van Damme. Zumindest „Mortal Kombat“ wurde ein Kassenerfolg, was Regisseur Paul W. S. Anderson ermutigte, ab 2002 diverse Filme zum Horrorspiel „Resident Evil“ zu drehen, deren Aufbau Computerspiel-Leveln ähnelt. Die wohl bekannteste Game-Verfilmung der Jahrtausendwende ist „Tomb Raider“ (2001). Angelina Jolie als kampferprobte Archäologin Lara Croft konnte durchaus überzeugen, dennoch sah „Tomb Raider“ aus wie ein uninspirierter „Indiana Jones“Aufguss. Kein Wunder, die Filme hatten schon das Spiel stark beeinflusst.

Die Flops blieben nicht ohne Folgen, viele Computerspielfans gaben irgendwann die Hoffnung auf, noch eine gelungene Adaption ihres Lieblingsspiels zu erleben. Auch die Filmindustrie schien von den Misserfolgen beeindruckt und fuhr ihr Engagement merklich zurück. Unrühmliche Ausnahme: der deutsche Regisseur Uwe Boll, der weiter eifrig Trash-Adaptionen von Computerspielen wie „BloodRayne“, „Alone in the Dark“ und „Far Cry“ (mit Til Schweiger) produzierte. Nur selten fanden halbwegs akzeptable Adaptionen („Silent Hill“, „Prince of Persia“) den Weg ins Kino. „Spiele-Verfilmungen scheitern häufig daran, dass die Macher zu wenig ausprobieren, dass sie zu vorsichtig sind“, sagt der Medienwissenschaftler Andreas Rauscher, der 2015 im Frankfurter Filmmuseum die Ausstellung „Film und Games. Ein Wechselspiel“ kuratierte.

Droht eine Schwemme miserabler Game-Verfilmungen?

Nun allerdings rollt eine gewaltige Welle von Spiele-Verfilmungen auf die Fans zu. Die Webseite „Den of Geek“ listet 55 aktuelle Projekte auf, 2016 erschienen bereits „Angry Birds“ und „Warcraft: The Beginning“. Kein Wunder: Die Games-Industrie gehört zu den umsatzstärksten Unterhaltungsbranchen, mit starken Marken, die auch im Kino Kasse machen sollen. Spielefirmen wie Ubisoft und Activision Blizzard haben eigene Filmstudios gegründet, um in Hollywood mitzumischen. Das große Vorbild sind die Marvel-Comic-Verfilmungen, die den Markt dominieren; allerdings hat Marvel 60 Jahre Comic-Geschichte mit bekannten Figuren im Rücken. Droht jetzt eine Schwemme miserabler Game-Verfilmungen?

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„Assassin’s Creed“ ist jedenfalls nur mäßig spannend und wird der Vorlage nicht gerecht. Erfolgreich ist die 2007 gestartete Spielereihe – mit neun Haupttiteln und etlichen Spin-offs – vor allem aus zwei Gründen: Sie erstreckt sich über mehrere Jahrhunderte und Epochen der Menschheitsgeschichte, die Spieler besuchen das mittelalterliche Florenz, die Piratengewässer der Karibik oder das Paris der Französischen Revolution. Zum anderen können sie die minutiös nachgebauten Schauplätze frei erkunden, sie klettern, schleichen und meucheln durch eine riesige, offene Spielwelt. Die Science-Fiction-Story um zwei Geheimbünde ist reichlich krude: Die Templer wollen die Menschheit kontrollieren, die Assassinen kämpfen für den freien Willen; der Schlüssel zur Macht sind die sogenannten Edensplitter, die eine fremde Zivilisation vor Urzeiten hinterlassen hat. Die Templer haben in der Gegenwart den Supercomputer „Animus“ konstruiert, der Zeitreisen auf Basis „genetischer Erinnerungen“ ermöglicht. Sie hoffen, so alle Edensplitter zu finden.

Frische Ideen sind rar in "Assassin's Creed"

So weit, so wirr. In den Spielen ist der Animus vor allem für die spektakulären Zeitreisen da. Regisseur Justin Kurzel verbannt die Ausflüge jedoch in kurze Action-Sequenzen. Michael Fassbender spielt den Mörder Callum Lynch, der in der Todeszelle auf seine Hinrichtung wartet; die Templer verschleppen ihn jedoch in ihre Geheimzentrale nach Madrid und verbinden ihn mit dem Computer. Callum taucht in die Erinnerungen seines assassinischen Vorfahren Aguilar da Nerha ein, der zur Zeit der Spanischen Inquisition lebte; er soll den „Edenapfel“ aufspüren, erhofft sich aber auch Hinweise darauf, wer einst seine Mutter tötete. Zwischen ihm und Marion Cotillard als phlegmatisch undurchsichtige Templer-Wissenschaftlerin Sophia Rikkin, die das Animus-Projekt leitet, entwickelt sich ein bräsiges Psychospiel.

Frische Ideen sind rar in „Assassin's Creed“, etwa der Schwebekran für Callums Animus-Akrobatik. Die seltenen Zeitreise-Szenen sind atemberaubend, besonders die Parkour-Einlagen in schwindelerregender Höhe. Allerdings wird die komplexe Geschichte um Templer und Assassinen in ein viel zu enges Zeitkorsett gepresst. Der Film zeigt einmal mehr, wie schwierig die Leinwandadaption von Games ist. Das aktive Handeln im Spiel lässt sich eben nicht ohne Weiteres durch die passive Zuschauerrolle ersetzen. Andreas Rauscher ist jedoch überzeugt, dass die Spiele-Stoffe enormes Potenzial bieten. Womöglich ließen sie sich besser im Serienformat verfilmen, „mit Raum für neue Erzählstränge und stilistische Experimente“.
In 19 Berliner Kinos. OV im Cinestar Sony-Center

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