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Concerto Köln: An die Wand gespielt

Der französische Sopranist Philippe Jaroussky mit dem Concerto Köln in Berlin.

Philippe Jaroussky eilt auf die Bühne, schön und makellos gekleidet und staksend wie ein junger Storch. Unbeschützt steht er nun da, im Rund ein ab sofort entflammtes Publikum, hinter sich aber das Concerto Köln, das nicht sofort in seine Begleitrolle hineinwächst. Denn erstens melden die gut 20 Musikerinnen und Musiker in ihren Solo-Stücken Ansprüche auf Aufmerksamkeit an, in Dall’Abacos „Concerto“ von 1719 mit Martin Sandhoff und Cordula Breuer (beide Flöte, mit liebem, famos sauberem Ton) oder im Vivaldi-Cellokonzert (Werner Matzke), in dem besonders das herbe, fast unwillig dürr gesetzte Largo besticht.

Zweitens aber trumpft das Ensemble noch dort auf, wo es auf seinen Gesangssolisten achtgeben sollte. Mit Brillanz und immer mehr musikalischem Händereiben reagiert es auf Jarousskys Hang zur Verausgabung, die trotz der hohen Lage natürliche, wenig pompöse Stimmfarbe. Geübt wird der Franzose in den Arien von Antonio Caldara (ca. 1670– 1736) an die Wand gespielt; die Kraft, die es ihn kostet, die unfassbar virtuosen Koloraturen gegen den Widerstand des Falsettierens hervorzuschleudern und die Zirzensik des einstmals für Kastraten gedachten Repertoires erfahrbar zu machen, geht im Eifer des gemeinsamen Gefechts schier verloren.

Sie wird erst wieder hereingeholt, als sich alle miteinander ins Pianissimo beugen: in den zart schwingenden Arien des zweiten Konzertteils und der Porpora-Zugabe „Alto giove“, die Jaroussky mit einem herrlichen messa di voce, dem unmerklichen An- und Abschwellen eines einzigen Liegetones, verschönt. Christiane Tewinkel

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