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Countertenor Philippe Jaroussky.

© Marco Borggreve

Countertenöre Sabadus und Jaroussky im Konzerthaus: Süße Worte der Gnade

Countertenorissimo: Im Konzerthaus brillieren Valer Sabadus, Phillipe Jaroussky und Sonia Prina in Scarlattis Passionsoratorium.

Ganz unerwartet kam der Jubel zum Schluss nicht – es sei denn, man hatte zuvor nicht nur einen Blick auf den Besetzungszettel, sondern auch auf das Libretto von Alessandro Scarlattis „Oratorio per la Passione di Nostro Signore Gesù Cristo“ geworfen. Dieses Passionsoratorium, verfasst von dem musikbegeisterten Kardinal Ottoboni, ist literarisch nämlich nicht die leichteste Kost: Statt die Leidensgeschichte linear zu erzählen, lässt der Kardinal Schuld, Reue und Gnade als allegorische Figuren auftreten, die in theologisch spitzfindigen Reden und Gegenreden den banalen Gedanken zu illustrieren suchen, dass Gnade nur dann möglich sei, wenn sich Reue und Schuld verbinden.

Dass das 1708 uraufgeführte theologische Lehrstück dennoch die Leidenschaft und Spannung einer der besten Opern der Zeit ausstrahlt, ist zum einen dem Komponisten Scarlatti zu verdanken. Er verbindet griffige Ariendevisen, an denen sich auch Georg Friedrich Händel ein Beispiel nehmen sollte, mit dramatischer Fantasie und vielfältig erfundenen Streichertexturen. Letztere werden im Konzerthaus vom französischen Ensemble Les Folies Françoises unter Patrick Cohën-Akenine mit Delikatesse dargeboten und nur an wenigen, aber entscheidenden Stellen durch Bläserklänge bereichert, die dramatisch auf Auferstehung und Weltgericht verweisen.

Ein vernachlässigtes Stück wird zum Meisterwerk

Doch all dieses würde wenig nützen, hätten nicht auch die phänomenalen Countertenöre Philippe Jaroussky und Valer Sabadus sowie die Altistin Sonia Prina das Stück vollkommen durchdrungen – eine Leistung, die sich schon äußerlich darin manifestiert, dass die Interpreten ihr Publikum weitgehend direkt und ohne Blick in die Noten ansprechen. Insbesondere Jaroussky begeistert dabei durch eine Deklamation, die auch komplexen Gedankengängen fiebernde Emotion sowie Passagen voll gedrängter plastischer Textausdeutung Klarheit zu verleihen weiß.

Sabadus ist mit der Rolle der Gnade auch deswegen ideal besetzt, weil seine so völlig abgerundete, selbst in der höchsten Höhe unforcierte, in Koloraturen und himmlisch langen Liegetönen frei strömende Stimme ganz real nach Begnadung klingt. Einen hervorragenden Kontrast zu den einzigartigen Countertenören liefert Sonia Prina mit ihrem fast männlich dunklen, deklamationsstarken, aber zugleich verzierungsfähigen, in der Tiefe feinkörnigen Alt. Gemeinsam machen sie Alessandro Scarlattis vernachlässigtes Stück wieder zu jenem Meisterwerk, als das es zu seiner Zeit gewirkt haben muss.

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