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Kultur: Cuba libre

In Augenblicken der Müdigkeit oder Melancholie wirken sie wie bewegungslose Krokodile, auf denen die Last der gelebten Jahre liegt.Immerhin haben die fünf Herren der Vieja Trova Santiaguera zusammen über 400 Jahre auf dem Buckel.

In Augenblicken der Müdigkeit oder Melancholie wirken sie wie bewegungslose Krokodile, auf denen die Last der gelebten Jahre liegt.Immerhin haben die fünf Herren der Vieja Trova Santiaguera zusammen über 400 Jahre auf dem Buckel.Und jeder einzelne von ihnen ist mindestens so alt wie der kubanische Son: jenes berauschende Tanzlied, das für die Musik auf Kuba längst so grundlegend ist wie für den Rum die Melasse.Der Son aber verleiht rotierende Hüften noch im Greisenalter und macht, wie es der berühmte Komponist Miguel Matamoros besingt, jeden Krückstock überflüssig.Ein anderes Lied von Matamoros handelt von Frauen.Es beschreibt das ewige Lebensgefühl des kubanischen Mannes, die Haßliebe zur Femme fatale, das quälerische Spiel des selbstverliebten Latin Lovers.

"Schwarze Tränen" heißt dieser tragischschöne Bolero, und Sonia Herman Dolz hat ihn als treffenden Titel für ihr Porträt der fünf betagten Troubadoure gewählt.Die niederländische Filmemacherin hatte das Quintett im Mai 1997 für sechs Wochen in Santiago de Cuba besucht und anschließend auf seiner Europa-Tournee begleitet.Dabei ist ein poetisches Dokument über die Erinnerung, die Liebe und die Einsamkeit entstanden.Mit seiner Grobkörnigkeit und den warmen Farbtönen läßt der Film Zeit und Geschichte gerinnen.Seine Bilder wirken wie eine Daguerrotypie vom Urzustand der Musik und der Männlichkeit.Gleichzeitig zeigen sie Kuba, wie es der idealisierten Vorstellung eines Mitteleuropäers entsprechen mag: behäbige Oldtimer statt knatternde Ladas in den Straßen von Santiago, Rumba tanzende Kinder statt jugendliche Prostituierte, jubelnde Werktätige statt gewitzte Hehler.

Die fünf alten Musiker indes schauen lapidar und mit charmanter Eitelkeit auf das eigene Leben zurück.Sie erzählen von ihren Amouren, unehelichen Kindern und davon, daß sie sich früher als Maurer, Eisenbahner, Zimmermann oder Bauer verdingen mußten, denn von der Musik allein konnten sie erst seit der Revolution leben.Auf der Konzertbühne im fernen Europa oder im Probenraum des heimischen Wohnzimmers jedoch sind alle fünf Musiker noch heute quicklebendig.Auch darin ähneln sie Krokodilen, die ihre Starre blitzartig verlassen, um die Beute zu schnappen.Bei den Kavalieren der Vieja Trova ist das die Geliebte, und sei sie noch so fern, die mit rhythmischem Hüftschwung und tropischem Minnegesang um den Verstand gebracht wird.Falls das nicht mehr klappen sollte, bleiben immer noch die "Schwarzen Tränen".Und die sind echt, ganz und gar.

Im Balazs und in der Brotfabrik.Sonnabend, 6.März, im Balazs und Haus Ungarn kubanischer Abend mit Film Buffet und Tanz zu Live-Son-Musik

Eintritt 15 Mark

ROMAN RHODE

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