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Kultur: Da geht die Post ab

Liebermanns Nachbar: Heute eröffnet am Wannsee ein Privatmuseum mit Berliner Secessionskunst

Es kommt wie bestellt: Kaum hat Jörg Thiede sein Glanzstück, ein wunderbares Gartenbild von Max Liebermann, aus dem Tresor geholt und unters Fenster gestellt, bricht die Sonne durch das Schneetreiben. Und schon glänzt der Wannsee hinterm wintertrüben Garten, leuchtet die gelbe Wand im frisch renovierten Salon, glänzt das Parkett, und durchs Fenster der Villa Hamspohn geht der Blick auf eben jene Rabatten hinter dem benachbarten Max-Liebermann-Haus, die auf dem Bild in Gelb und Blau erstrahlen.

Eine fruchtbare, eine mitunter problematische Nachbarschaft. Der Architekt Paul Baumgarten hatte Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Herren im Abstand von drei Jahren monumentale Villen an den Wannsee gestellt, dem Maler Max Liebermann und dem damaligen AEG-Direktor Johann Hamspohn. Viel Kontakt scheint indes nicht bestanden zu haben zwischen den Nachbarn, deren Häuser fast unangenehm dicht stehen: „Max Liebermann war kein einfacher Mensch“, erzählt Jörg Thiede, und berichtet, der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, habe dem Maler geraten, Schattenmorellen an die Grundstücksgrenze zu pflanzen, als Sichtschutz.

Nach dem Krieg wurden beide Häuser als Krankhaus genutzt, dann zog bei Liebermann ein Tauchclub ein, bei Hamspohn der Postruderverein, beides nicht zum Vorteil der Häuser. Seit einigen Jahren nun kümmern sich kulturliebende Bürger um beide Orte: Die Liebermann- Villa, 2002 endlich dem Tauchclub abgerungen, wird seitdem von der engagierten Liebermann-Gesellschaft Schritt für Schritt wiederhergestellt, einschließlich Birkenallee und Gartenpracht. Über 30 000 Besucher strömten im vergangenen Jahr auf das Gelände, um das Wiedererwachen eines Garten- und Lebensidylls zu verfolgen. Am 30. April nun soll in der restaurierten Villa ein Museum mit Werken Max Liebermanns, vor allem aus der Wannsee-Periode mit den Gartenbildern, eröffnen.

Eine schöne Erfolgsgeschichte bürgerschaftlichen Engagements, die sich nebenan wiederholen soll, wo Sammler und Mäzen Thiede als Hommage an den berühmten Nachbarn Schattenmorellen an die Grundstücksgrenze pflanzte. Denn auch in der Villa Hamspohn ist Liebermann ab heute zu Gast, nicht nur mit dem Gartenbild von 1916, eine Leihgabe aus Berliner Privatbesitz, sondern mit einer Reihe von Zeichnungen und frühen Gemälden. Schwerpunkt des „Kunstsalons Berliner Secession“, den Thiede eröffnet, ist jedoch die „Gruppe der Elf“, eine Vorläufervereinigung der Secession, die von 1892 bis 1898 existierte, und der Max Liebermann, Walter Leistikow und Franz Skarbina angehörten, sowie der befreundete Marinemaler Carl Saltzmann.

Mit Saltzmann hat alles angefangen. Nach der Wende hatte Jörg Thiede, ein Berliner Unternehmer mit Herz für Denkmalschutz, zunächst die historische Villa Saltzmann am Griebnitzsee gekauft und mit Hilfe arbeitsloser Jugendlicher denkmalgerecht wiederhergestellt. Mit dem Domizil kam auch die Liebe zur Kunst: Seitdem sammelt Thiede Malerei, zunächst von Saltzmann, bald auch von anderen Secessionsvorläufern. Rund 40 Werke sind zusammengekommen, ergänzt durch Leihgaben anderer Privatsammler und Museen wie dem Berliner Stadtmuseum oder dem Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf. Der Ehrgeiz war, von jedem der elf Gruppenteilnehmer ein Bild zu zeigen. Bei manchen, wie dem vergessenen Blumenmaler Georg Mosson, bilden die Werke eine eigene Kabinettausstellung.

Die Villa Saltzmann in Potsdam gehört seit vergangenem Jahr dem Dirigenten Christian Thielemann, die Sammlung Thiede ist nun in der renovierten Villa Hamspohn am Wannsee zu sehen. Schon das Gebäude ist ein Prunkstück: Dunkelrot gestrichen die zweigeschossige Halle mit Oberlicht, ein buntes Jugendstil-Glasfenster zeigt das Erbauungsdatum 1906, eine Marmor-Venus steht in einer Nische, die Treppe windet sich weißlackiert mit grünem Lauf nach oben. „Nach alten Befunden“ seien die Farben rekonstruiert, betont Thiede. Zugeständnisse waren unvermeidlich: das Doppelfenster zum Treppenhaus musste aus brandtechnischen Gründen zugemauert werden, die Holzdecke hatte unter vierzig Jahren Kondenswasser gelitten und musste teilerneuert werden, das Treppengeländer ist zu niedrig, und noch mit einer provisorischen Holzbalustrade versehen, die die Post anbringen ließ. Im Obergeschoss, wo die Kunstsammlung zu sehen ist, waren die Farben nicht mehr zu konstruieren.

Thiele wählte kräftige Töne, frei nach Goethes Farbenlehre, und erhält so einen „Roten“, einen „Blauen“ und einen „Gelben Salon“. Hier findet die „Gruppe der Elf“ ihren Platz, in dichter, so genannter Petersburger Hängung. Die Vorläufer mit Anton von Werner und Carl Saltzmann, beide Lieblinge von Kaiser Wilhelm II., der Saltzmann sogar mitnahm auf seine Schiffstouren nach Norwegen, dann Leistikows dunkle Grunewaldseen, die heiteren Strandszenen, das Treiben am Amsterdamer Fischmarkt, Blumenstillleben und Großstadtszenen. Sicher, manchmal ist das Konzept, das Thiede mit „Erleben mit allen Sinnen“ fasst, etwas unbekümmert, steht eine Renoir-Reproduktion für den Impressionismus, ist ein Marinebild von Saltzmann nur als Schwarzweißfoto zu sehen. Die Grundrichtung aber stimmt: Kunst, die entstand in einer Zeit, in der die Wannsee-Kolonie florierte, Maler, die in Vergessenheit geraten sind und doch so berlinerisch wie wenig sonst, und das alles an höchst idyllischem Ort.

Im Erdgeschoss schließlich wird eine Altberliner Kneipe mit Biergarten auf Ausflügler warten. Ein Déjà-vu: Eines der größten Werke der Sammlung von Franz Skarbina zeigt einen „Weißbierausschank in einem Berliner Hinterhofgarten“. Strickende Mütterchen, spielende Kinder, Großväter trinken Berliner Weiße, die Gäste strömen in Massen. So könnte es auch in der Villa Hamspohn bald zugehen, träumt ihr Besitzer.

Villa Hamspohn, Am Großen Wannsee 40. Im März Fr–Mo 11–17 Uhr, ab April täglich außer Di, kein Katalog.

Christina Tilmann

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