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Kultur: Dalí dalli!

In Paris beginnt die Versteigerung der Breton-Sammlung

Das Pariser Auktionshaus Drouot-Richelieu gleicht in diesen Tagen einer Festung. Demonstranten bangen um die „Zerstörung französischen Kulturerbes“, Sicherheitskräfte treiben sie auseinander, es kommt zu Verkehrsstaus und Menschenansammlungen. In der vergangenen Woche pilgerten mehr als 50000 Kunstinteressierte und Neugierige in das Gebäude im 9.Arrondissement, um einen letzten Blick auf den Nachlass des Oberhaupts der surrealistischen Bewegung, des Dichters und Denkers André Breton (1896 -1966), zu werfen. Wie bei einer Trauerfeier defilierten sie an den 4100 Objekten vorbei, die in zwei Zimmern seiner Wohnung in der Rue Fontaine 42 nahe dem Montmartre lagerten und nun bis zum 17. April unter den Hammer kommen. Breton war zeitlebens ein Sammler und Jäger; eine Wand aus seinem Atelier – mit Miró-Gemälden, japanischen Tuschzeichnungen, afrikanischen und ozeanischen Kultobjekten – wurde vom Staat schon früher für das Centre Pompidou gesichert.

Kultivierte Geister allerdings bekommen nun eine Gänsehaut, wenn um die ein oder anderen Trouvaillen aus dem Bretonschen Schatz „wie um eine Unterhose von Madonna oder eine Sonnenbrille von James Dean“ („Le Parisien“) gepokert wird. In dem Kuriositäten-Kabinett mischen sich banale Sammlerobjekte wie getrocknete Seeigel, Muscheln, antike Waffeleisen, Kieselsteine und ausgestopfte Vögel mit 500 Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen unter anderem von Miró, Picasso, Arp oder Dalí sowie Eskimomasken und Gebrauchsgegenständen von Indianerstämmen. Hinzu kommen 3500 Bücher und Notizen, teilweise mit Widmungen von Appollinaire, Freud oder Trotzki, sowie 1700 Fotografien. Alles in allem: ein geschätzter Wert von 30 Millionen Euro; der achtbändige Katalog, der zehn Kilo wiegt, kostet 280 Euro.

Selten hat eine Versteigerung soviel Emotionen hervorgerufen. Aufklärend wirkt deshalb die simple Botschaft eines Ungenannten, der sich ins Goldene Buch des Hauses Drouot eintrug, an die einzige Erbin Bretons, seine heute 67-jährige Tochter Aube Elléouet-Breton: „Ich schicke Ihnen einen Strauß von Widersprüchlichkeiten.“ Aube reagierte darauf in einem Interview mit der Tageszeitung „Libération“: „Mein Vater war ein Aufrührer, ein Revolutionär, gegen alles Institutionelle. Niemals hätte er gewollt, dass für ihn ein Museum geschaffen wird.“ Andererseits, sagt die Tochter, die die Erbschaftssteuer nicht mehr tragen konnte, sei ihr Vater selbst immer wieder in Museen gegangen. „Sehen Sie, nichts als Widersprüche!“

Kulturminister Jean-Jacques Aillagon wirft man vor, der französische Staat habe kein Interesse an nationalem Kulturgut. Er aber meint: Der Verkauf der Sammlung beweise die enorme Nachwirkung Bretons. Dagegen protestieren Philosophen und Autoren wie Jacques Derrida und Mathieu Bénézet, François Bon und Yves Bonnefoy, die Auktion sei eine „geschmacklose, ordinäre, kommerzielle Kaufhaus-Orgie im Stil eines Sommerschlussverkaufs“.

Sabine Heimgärtner

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