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Kultur: Daniel Cohn-Bendit: Hosenkinderladen

Macht kaputt, was euch kaputt macht, sangen "Ton Steine Scherben", und zielten aufs Ganze - das ganze "System" der Ausbeutung, der Unterdrückung und der Tabus.Anders als Horkheimers und Adornos Einsicht, dass es "kein richtiges Leben im falschen" gibt, versprach eine Haltung wie die der "Scherben" schnelle Hilfe.

Macht kaputt, was euch kaputt macht, sangen "Ton Steine Scherben", und zielten aufs Ganze - das ganze "System" der Ausbeutung, der Unterdrückung und der Tabus.

Anders als Horkheimers und Adornos Einsicht, dass es "kein richtiges Leben im falschen" gibt, versprach eine Haltung wie die der "Scherben" schnelle Hilfe. Wenn das Kaputtmachende kaputt ist, ja dann... So leicht ging aber nicht alles kaputt. Die "alternative Bewegung" mit all ihren Widersprüchen wurde erfunden, um im falschen Leben kleine Oasen des richtigen zu pflanzen, und einstweilen hieß das Konzept "Natur" oder "Natürlichkeit". Das äußerte sich in selbstgefärbten Wollsachen, wucherndem Grün als Zimmerschmuck, im Gründen von Bioläden wie in der Idee, auch der Kindergarten müsse so eine Art Bioladen werden. Man nannte ihn Kinderladen - obwohl für Kapitalismuskritiker "Garten" eigentlich schöner klingen müsste als "Laden". Nun ja.

Im Beisein alternativer Erzieher durften Kinder mit Fingerfarben malen, über Kacke und Pisse reden, unbekleidet umherspringen, einander anfassen und auch die Betreuer anfassen. Mit andern Worten: linker Kindersex. Dazu zettelten die Grünen in den achtziger Jahren sogar eine Bundestagsdebatte für die Freigabe sexueller Beziehungen mit Kindern an. Bei der aktuellen Achtundsechzig-Räumung darf das Thema nicht fehlen, das die Schraube noch eine letzte Windung weiter drehen will - während sie ja bereits rostet. Der neue Sünder heißt nun: Daniel Cohn-Bendit.

Ausgegraben hat die Taten des einstigen Erziehers im Frankfurter Uni-Kinderladen die englische Tagszeitung "Observer". 1975 berichtete Cohn-Bendit in seinem Buch "Le grand bazar", das auf deutsch im Verlag Trikont erschien: "Es ist mir mehrfach passiert, dass Kinder meinen Hosenladen geöffnet haben und angefangen haben, mich zu streicheln. Ich habe je nach den Umständen unterschiedlich reagiert, aber ihr Wunsch stellte mich vor Probleme. Ich habe sie gefragt: Warum spielt ihr nicht untereinander? Warum habt ihr mich ausgewählt, nicht eines der andern Kinder? Aber wenn sie darauf bestanden, habe ich sie trotzdem berührt." Der Text ist typisch für die Debatte dieser Jahre, als die Kinder von Spießern Anti-Spießer wurden, und sich oft nur die Vorzeichen verkehrten. Cohn-Bendit hat im französischen Fernsehen Ignoranz und Irrtümer eingeräumt, man habe damals wenig von Pädophilie gewusst.

Ohne Frage. "Linker Missbrauch" geschah quasi offen und reflektiert, "rechter Missbrauch" passiert in Kellern und verschlossenen Badezimmern. Von Verwahrlosung ("Freiheit") bis Sex ("Tabubruch") war alles im linken Milieu möglich, was im rechten eben ohne Strategien der Legitimierung passiert. Sicher ist eine Grenzübertretung als Nachgeben gegenüber einem Kinderwunsch weniger traumatisierend, als jene, die Kinderwünsche und -ängste bewusst missachtet. Eine Respektlosigkeit der Erwachsenen bleibt beides. Die Psychoanalyse diagnostiziert zwar ödipale Wünsche, aber sie legt Wert darauf, dass es Wünsche sind, Fantasien. Die "Erfüllung" der primären Wünsche ist ebenso katastrophal, wie der Tabumuff, der solche Wünsche ausbeutet und pervertiert. Hosenläden Erwachsener, das weiß man heute, sollten in Kinderläden ebenso zu bleiben wie in Kindergärten.

Die Diskussion um Cohn-Bendit wird jedoch nicht zum Schutz der Kinder geführt. Wie bei Fischer, Trittin, Schröder oder Schily geht es vor allem um Macht und Kalkül.

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