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Kultur: Danke sagt der Hund

Wenn von Gertrude Steins "Doctor Faustus Ligths the Lights" die Rede ist, ist vielleicht von Richard Foreman die Rede, der 1982 die europäische Erstaufführung dieses ursprünglich als Opernlibretto verfaßten Textes (zu dem dem Komponisten Gerald Berners dann allerdings keine Noten einfielen) inszenierte.Auf jeden Fall aber spricht man von Robert Wilson, der Steins play zehn Jahre später am Hebbel-Theater in seine Bilderwelt übersetzte.

Wenn von Gertrude Steins "Doctor Faustus Ligths the Lights" die Rede ist, ist vielleicht von Richard Foreman die Rede, der 1982 die europäische Erstaufführung dieses ursprünglich als Opernlibretto verfaßten Textes (zu dem dem Komponisten Gerald Berners dann allerdings keine Noten einfielen) inszenierte.Auf jeden Fall aber spricht man von Robert Wilson, der Steins play zehn Jahre später am Hebbel-Theater in seine Bilderwelt übersetzte.Und nun lights Doctor Faustus the lights in einer Produktion der (zumindest vor diesem Hintergrund) namenlosen Studiobühne der Freien Universität Berlin.

Das Szenario im Theaterdock in der Kulturfabrik ist entsprechend schlicht: links thront Doctor Faustus, der bei Stein seine Seele (so er, was nicht ganz klar ist, überhaupt eine besitzt) im Dienste der Erfindung des elektrischen Lichts an Mephisto verkauft hat.Flankiert wird der ewig Unzufriedene korrekterweise von einer Glühbirnen-Installation; und ebenso korrekt zu seinen Füßen liegen ein kleiner Junge sowie ein Hund, der sich im wesentlichen darauf beschränkt, permanent "Thank you" zu artikulieren.

Auf der anderen Seite deuten vom Schnürboden sich herabschlängelnde silbrige Drähte Wald und Welt des weiblichen Prinzips - bei Gertrude Stein ein Doppelwesen mit dem vierfachen Namen Marguerite Ida und Helena Annabel - an.Diese zwei- (oder vier-)fache Frau wird im folgenden von einer Natter gebissen und von Faust widerwillig geheilt; ferner treten eine "country woman" mit Sichel und ein Verehrer aus Übersee auf; und der Rest ist (Sprach-)Spiel in berühmter Steinscher Manier.Und: es funktioniert!

Die australische Theaterwissenschaftsstudentin Bronwyn Tweddle und ihre ebenfalls studentischen Akteure haben nämlich der "Mutter der modernen Literatur" vieldimensionale, wortspielerische, assoziative Landschaften, die Auflösung dramatischer Strukturen und Konventionen weder an falsch verstandene Bedeutungsschwangerschaft noch an pure Beliebigkeit oder platten Pseudo-Humorismus verraten.Vielmehr pflegt die Regisseurin einen Umgang mit der Vorlage, der als im besten Sinne respektlos zu bezeichnen ist: Tweddle hatte die ebenso einfache wie wirkungsvolle Idee, auf Steins Grundlage eine deutsch-englische Inszenierung zu kreieren, die aus ihrer Zweisprachigkeit eine ganz eigene assoziative, sprachspielerische Dynamik gewinnt und zudem von bestechender Leichtigkeit ist.Zur intelligentesten Komik schwingen sich die typisch Steinschen Wiederholungen im Dialog von Helena Annabel und Marguerite Ida auf: Die Regisseurin hat das Weibliche an zwei Darstellerinnen delegiert, wobei die rothaarige Kerstin Grübmeyer dem naiv-unberührten, die blonde Eva Kammigan dem raffinierten femininen Stereotyp folgt, ohne jedoch ins tausendmal gesehene Klischee abzudriften.

Die Balance zwischen grotesker Überzeichnung des Stückpersonals und einer Art zärtlicher Komik ist überhaupt eine Stärke dieser Inszenierung: der Verehrer aus Übersee beispielsweise muß - mit seinem leitmotivischen "My dear" in hilfloser Lächerlichkeit wahllos Beine und Schultern der Angebeteten ergreifend - nicht gleich zum vollends Grenzdebilen degradiert werden.Und überhaupt: die nicht-professionellen Schauspieler überzeugen sowohl mit Fausts (Michael Meyer) intendierter Steifheit oder Mephistos (Lars Löllman) beachtlich schmeichelnder Bewegungschoreographie als auch - und vor allem - mit phantastischer Spiellust!

CHRISTINE WAHL

Am heutigen Sonntag sowie vom 9.bis 12.und 16.bis 19.Juli, jeweils um 20 Uhr, im Theaterdock in der Kulturfabrik, Lehrter Straße 35.

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