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Kultur: Darauf ein Safari-Bier

Irgendwann konnte der Australier Stuart McArthur die Sprüche nicht mehr hören: Ob sie denn in seiner Heimat auf der südlichen Halbkugel tatsächlich alle „Kopffüßler“ wären, ständig damit beschäftigt, nicht von der Erde zu fallen. Um den „downunder“-Witzen ein Ende zu bereiten, zeichnete McArthur 1979 seine berühmte „Universal Corrective Map of the World“.

Irgendwann konnte der Australier Stuart McArthur die Sprüche nicht mehr hören: Ob sie denn in seiner Heimat auf der südlichen Halbkugel tatsächlich alle „Kopffüßler“ wären, ständig damit beschäftigt, nicht von der Erde zu fallen. Um den „downunder“-Witzen ein Ende zu bereiten, zeichnete McArthur 1979 seine berühmte „Universal Corrective Map of the World“. Auf dieser Weltkarte liegt Australien nicht – wie gewöhnlich – rechts unten, sondern in der Mitte des oberen Kartenrandes. Links unten sieht man Amerika, rechts unten Europa.

Die simple Umkehr der Perspektive hat eine verstörende Wirkung. Ganz ähnlich funktioniert Abdourahman Waberis Roman „Die Vereinigten Staaten von Afrika“. Durch die europäische Wohlstandsbrille betrachtet erscheint Afrika meist als gestaltloses Chaos, als von Bürgerkriegen zerfurchter Kontinent. Alternativ liefern Reiseprospekte Bilder, auf denen hinter Affenbrotbäumen die Sonne untergeht. Waberis Polit-Satire stülpt die geopolitischen Verhältnisse einfach um: In den afrikanischen Staaten prosperieren Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Fastfood gibt es bei Mc Diop, getrunken wird Safari-Bier. Das Problem sind die Flüchtlingsströme aus „Euramerika“. Sie kommen aus Koblenz, Monaco oder den heruntergekommenen Zürcher Vorstädten. Geflohen wird vor ethnischen Konflikten und Diktatoren, Hunger und Aids. Die Schleusen ins gelobte Land heißen hier nicht Ceuta und Melilla, sondern Alger und Djerba. Teils schotten die Afrikaner sich ab, teils leisten sie humanitäre Hilfe. Wie bei Maya, einem französischen Mädchen, das von einem Intellektuellen aus dem reichen Eritrea adoptiert wird und als Erwachsene zurück ins europäische Elend geht. Das alles wird ohne Schwarz-Weiß-Malerei erzählt, sondern im ironisch-satirischen Ton des „conte philosophique“, geschult an Voltaire und Swift.

Der 1965 geborene Waberi stammt aus Djibuti und lebt seit 1985 als Englischlehrer und Journalist in der Normandie. Nach seinen ersten drei Romanen, die Djibuti auf der literarischen Weltkarte verzeichnet haben, hat er literarisch auf den Völkermord in Ruanda reagiert und war im letzten Jahr Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Erleben kann man diesen außergewöhnlichen „schreibenden Nomaden“ am 3.2. (19 Uhr) im Afrika-Haus (Bochumer Str.25, Tiergarten).

Dass Waberis Fiktion von der Not in europäischen Städten nicht gänzlich erfunden ist, bekommt man in diesen Tagen auf bittere Weise bestätigt. Es ist kalt geworden. Für etwa 4000 Berliner Obdachlose können die Temperaturen tödlich sein. Die Berliner Stadtmission unterhält deshalb ein „Kältehilfe“-Projekt mit Notübernachtungen, Krankenstation und Kältebus. Und die Schriftstellerin Tanja Dückers organisiert bereits zum zweiten Mal eine Benefizlesung zur Unterstützung des „Kältehilfe-Vereins“. Ein Großaufgebot von 18 Autoren kommt am 3. Februar (20 Uhr) in den Roten Salon der Volksbühne (Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte). Dabei sind u.a. Annett Gröschner, Katja Lange-Müller, Terézia Mora, Bodo Mrozek, Katrin Röggla, Jochen Schmidt, Jens Sparschuh und Uljana Wolf. Wer zweifelt, dass Literatur unmittelbare Wirkung hat, kann sich hier eines Besseren belehren lassen.

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