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Kultur: DAS BIOGRAFISCHE WEIHNACHTSRÄTSEL Auch in diesem Jahr heißt es wieder, Nachschlagewerke wälzen oder im Internet recherchieren, um die richtigen Lösungen zu finden

Ein schreibender Botaniker 1 Geboren wurde er im elterlichen Schloss, in eine Familie hinein, deren Ursprung bis ins Mittelalter reicht. Als später in seinem Land radikale Umwälzungen einsetzten und Menschen seiner Gesellschaftsschicht verfolgt wurden, floh die kinderreiche Familie ins Nachbarland.

Ein

schreibender

Botaniker

1 Geboren wurde er im elterlichen Schloss, in eine Familie hinein, deren Ursprung bis ins Mittelalter reicht. Als später in seinem Land radikale Umwälzungen einsetzten und Menschen seiner Gesellschaftsschicht verfolgt wurden, floh die kinderreiche Familie ins Nachbarland. Da war er elf Jahre alt. Entwurzelt und plötzlich verarmt, musste der Lebensunterhalt verdient werden. Er fand eine Anstellung als Porzellan-Maler und wurde Page am königlichen Hof. Als 17-Jähriger trat er in die Armee des fremden Landes ein, das ihm unterdessen zur Heimat geworden war. Dort diente er acht Jahre. Nachdem er die Landessprache richtig gelernt hatte, begann er sich der Literatur zu widmen, schrieb seine ersten eigenen „Übungsstücke“: Gedichte, Fabeln und Lieder, die in dieser Zeit, die man als Biedermeier-Zeit bezeichnet, großen Anklang fanden. Er war bereits 32 Jahre alt als er ein Studium begann: Medizin, Anatomie, Naturwissenschaften. Sein Hauptinteresse galt – neben der Literatur – der Botanik. Mit einem romanhaften Märchen, das in zwölf Sprachen übersetzt wurde, errang er Weltruhm. Bald darauf begleitete er eine Forschungsgesellschaft auf einer Weltumsegelung. Über sie berichtete er in meisterlicher Prosa. Danach wurde er sesshaft, heiratete eine 20 Jahre jüngere Frau. Sie bekamen sieben Kinder, und er fand eine Anstellung im hauptstädtischen Botanischen Garten, dessen Leiter er schließlich wurde. Von sich selbst sagte er einmal „Ich habe immer einen Fuß in der Botanik und einen in der Literatur“. Er starb mit 57 Jahren.

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Eine Wanderin

zwischen zwei

Kulturen

2 Sie wuchs in einem fernen Land auf, in dem ihre Eltern in christlicher Mission tätig waren. Dort fühlte sie sich so zu Hause, dass sie die fremde Sprache eher lernte als die ihres Heimatlandes. Als sie 17 Jahre alt war, schickten ihre Eltern sie zum Universitätsstudium zurück in ihr Geburtsland. Dort heiratete sie einen Wissenschaftler und zog mit ihm wieder in das ferne, ihr vertraute Land. Sie lehrte Literatur und begann unter ihrem Ehenamen zu schreiben. In ihren ersten und auch fast allen späteren Romanen und Novellen ging es vor allem um die Unterschiede zwischen ihren beiden Welten und um das Verständnis füreinander. Da es in diesem armen, schwierigen Land unentwegt zu Aufständen, Unruhen und auch zu Fremdenfeindlichkeit kam, wurde das Leben dort für sie und ihren Mann, als deutlich erkennbare Nicht-Einheimische, zu gefährlich und sie zogen zurück in die Heimat. Dort widmete sie sich ausschließlich der Schriftstellerei. Ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Sie wurde noch berühmter, als sie als erste Frau ihres Landes mit einem großartigen Preis ausgezeichnet wurde. Da war sie 46 Jahre alt. Die Ehe mit ihrem Mann zerbrach, und sie heiratete den Verleger ihrer Bücher. Mit ihm adoptierte sie acht Kinder und engagierte sich mehr und mehr auf sozialem Gebiet. Nach dem 2. Weltkrieg gründete sie die erste internationale Agentur, die Waisenkinder an Adoptiveltern vermittelte. Hoch geehrt für ihr menschliches Engagement und mit vielen Auszeichnungen für ihr schriftstellerisches Werk bedacht, starb sie mit annähernd 81 Jahren.

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Ein

revolutionärer

Theoretiker

3 Er wurde in einem kleinen, mehrsprachigen Land geboren. Bei entfernten Verwandten verbrachte er eine unglückliche Kindheit. Als er 16 Jahre alt war, riss er von dort aus und fand in einem Nachbarland bei einer älteren Frau ein neues Zuhause. Er arbeitete in unterschiedlichen Berufen bis er einen Essay-Wettbewerb gewann. Mit diesem Aufsatz, in dem er die These vertrat, dass der Mensch durch Fortschritt, Kultur und durch die Vergesellschaftung aus seinem naturhaften, glücklichen Urzustand herausgerissen und verdorben würde, legte er den Grundstein für seinen späteren Ruhm. Nach seinem Umzug in die Hauptstadt des Landes wohnte er bei einer Weißnäherin. Dort schrieb er in romanhafter Form ein Lehrbuch über die Erziehung von Kindern. Die eigenen fünf Kinder, die aus der Verbindung mit der Näherin hervorgingen, gab er allerdings ins Findelhaus. In einem anderen seiner Werke äußerte er die Forderung, die natürliche Rechtsgleichheit aller Menschen wieder herzustellen. Ein Grundsatz, der von den kurz darauf einsetzenden Umwälzungen im Land übernommen wurde. Körperlich und seelisch labil, oft wohl auch dem Wahnsinn nahe, überwarf er sich mit allen Freunden und Gönnern, geriet in Konflikte mit Recht und Gesetz und entging Verhaftungen oft nur durch die Flucht in andere Länder. Den letzten Teil seines Lebens verbrachte er vereinsamt und menschenscheu. Ob er eines natürlichen Todes starb ist nie ganz geklärt worden. Er wurde 66 Jahre alt.

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Ein

unheimlicher

Erzähler

4 Er wurde im nördlichen Teil seines Landes unter den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen geboren: Seine Eltern waren herumziehende Schauspieler. Sein Vater starb ein Jahr nach seiner Geburt an der Trunksucht, die Mutter etwas später an Tuberkulose. Ein kinderloses, reiches Ehepaar nahm ihn als Pflegesohn in den südlicheren Teil des Landes, wo er zu einem echten „Gentleman des Südens“ werden sollte. Seine ersten Gedichte schrieb er als 14-Jähriger. Es waren Spottverse auf seine Lehrer. Nicht nur in den Schulen machte er sich unbeliebt, sondern auch durch seine exessive Lebensweise. Der Pflegevater verstieß den 20-Jährigen. Seine Gedichte fanden wenig Anklang, um so mehr seine Erzählungen: Fantastisch und unheimlich, entsprachen sie dem damals populären Genre der Schauergeschichten. Er gilt als Erfinder der ersten modernen Krimis. Bei einigen Magazinen und Zeitungen arbeitete er als Redakteur. Er war der erste echte Literaturkritiker seines Landes. Doch oft waren seine Kritiken so bösartig, dass er immer wieder entlassen wurde. Als 27-Jähriger heiratete er eine noch nicht einmal 14-Jährige. Nach nur elf gemeinsamen Jahren verstarb sie. Von dieser Tragödie erholte er sich nicht. Einsam und heruntergekommen starb er im Alter von 40 Jahren, zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau.

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Ein

frommer

Dichter

5 Er wurde in ländlicher Idylle im Norden seines Landes geboren. Sein Großvater und auch sein Vater waren Pfarrer. So schien es selbstverständlich, dass auch er zum Theologen bestimmt war. Doch obwohl er ein tiefgläubiger Mensch war, sagten ihm weltliche Fächer mehr zu. Als der von ihm sehr geliebte Bruder an einer verheerenden Seuche der Zeit starb, hielt er vor der akademischen Trauergemeinde eine ergreifende Rede, die gedruckt wurde. Das war seine erste Veröffentlichung. Ohne Studienabschluss kehrte er ins Elternhaus zurück und versuchte sich im Schreiben. Es war das Jahr, in dem der siebenjährige Krieg zu Ende ging, als ein kleiner Band mit seinen Erzählungen erschien. Da er von der freien Schriftstellerei nicht leben konnte, nahm er für kurze Zeit den Posten eines Sekretärs in der Hauptstadt eines fremden Landes an. Später wurde er Redakteur des Kulturteils einer neu gegründeten Zeitung in der Großstadt, die nahe an seinem Heimatdorf lag. Diese Zeitung benannte sich nach einem Vorort der großen Stadt und galt, obwohl sie nur fünf Jahre existierte, als eines der Presse-Organe, an das die Großen jener Zeit ihre Beiträge lieferten. Er selbst schrieb seine Kritiken, die oft humorvoll und nie verletzend waren, unter einem Pseudonym, unter dem er später viele seiner Betrachtungen und Erzählungen in mehreren Büchern veröffentlichte. Er war und blieb ein gütiger, frommer, bescheidener Mann, liebevoller Gatte und zärtlicher Vater seiner Kinderschar. Wir verdanken ihm eines der bekanntesten und schönsten Abendlieder. Sieben Monate vor seinem 75. Geburtstag starb er.

Eine

fleißige

Romanautorin

6 Sie war die Tochter eines Schauspielers, der zu seiner Zeit ausgesprochen prominent war. Ihr luxuriöses Elternhaus war stets der Treffpunkt von Künstlern und berühmten Theaterleuten. Sie zog es aber schon früh vor, allein zu sein, um viel zu lesen und es auch schon mit dem Schreiben zu versuchen. Eine reguläre Schule hatte sie nie besucht. Die wohl wichtigste Entwicklung begann, als ihre Familie ein Ferienhaus in einem kleinen Fischerort in der südwestlichsten Grafschaft des Landes kaufte. Sie war von der Gegend so begeistert, dass sie beschloss, nur noch dort zu leben. Was sie auch, mit einigen Unterbrechungen, bis zu ihrem Tode tat. Dort schrieb sie als 19-Jährige ihren ersten Roman über Seefahrerschicksale. Nach einer Biografie über ihren Vater und einer schon höchst erfolgreichen Schmugglergeschichte errang sie den absoluten Durchbruch mit einem melodramatischen Roman, der kurz darauf verfilmt wurde und sie weltweit zur Bestseller-Autorin machte. Obwohl sie lesbische Affären hatte, heiratete sie mit 25 Jahren einen Offizier, mit dem sie drei Kinder hatte. Als er kurz nach Ausbruch eines Krieges auf wichtige militärische Posten versetzt wurde, übersiedelte sie für immer in ihren geliebten Fischerort und schrieb eine Fülle von Romanen. Sie verfasste auch eine Art von Reiseführer über die dortige Landschaft, zu der ihr Sohn die Fotos machte. Dort ist sie, wenige Wochen vor ihrem 82. Geburtstag, gestorben.

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Ein

begnadeter

Pechvogel

7 Er wurde tief im Süden Europas als Sohn eines Landarztes geboren. Als 14-Jähriger besuchte er in der nahe gelegenen Hauptstadt des Landes die Schule, in der er später auch als Hilfslehrer tätig war. In einem Schulalmanach wurden seine ersten Verse abgedruckt. Mit 21 wurde er Kammerjunker eines Kardinals, tötete in der Zeit, wenn auch in Selbstverteidigung, einen Staatsdiener und entkam dem Urteil nur durch Flucht. Es folgten Jahre in Elend und Armut. Später trat er in die Armee ein und verlor bei einer Seeschlacht seine linke Hand. Auf der Heimfahrt wurde sein Schiff von Piraten gekapert und die Besatzung verschleppt. Nach fünf qualvollen Jahren der Sklaverei wurde er von einem Ordensmann freigekauft. Nun wieder in der Hauptstadt, versuchte er – allerdings erfolglos – als Dichter Fuß zu fassen. Notgedrungen übernahm er das Amt eines Proviant-Kommissars der Flotte und geriet, wenn auch ohne eigenes Verschulden, in solche Schwierigkeiten, dass er zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde. In der Haft begann er einen Roman zu schreiben. Dieser Roman, reich an Kritik an den herrschenden Verhältnissen seines Landes und voller philosophischer Betrachtungen, wurde in unzählige Sprachen übersetzt. Er gilt bis heute als Meisterwerk der Weltliteratur. Er selbst, wenn auch berühmt geworden, starb mit annähernd 69 Jahren in Armut und Elend.

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Ein

spendabler

Journalist

8 Er wurde in einem osteuropäischen Land geboren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und hatte keine Chance auf eine gute Ausbildung oder gar ein Studium. So versuchte er, beim Militär unterzukommen, wurde aber wegen Untauglichkeit abgewiesen. Als 17-Jähriger wanderte er nach Übersee aus, ging dort in die Armee und kämpfte im damals herrschenden Bürgerkrieg. Danach übte er verschiedene Berufe aus, nahm als 20-Jähriger die Staatsbürgerschaft des Landes an und begann eine journalistische Laufbahn bei einer kleinen Zeitung. Schon bald wurde er deren Chefredakteur und Teilinhaber. Nachdem er seinen Zeitungsanteil verkauft hatte, ließ er sich in der Regierungshauptstadt als Rechtsanwalt nieder. Doch sein Interesse am Journalismus war größer. Er war erst Mitte dreißig als er einige Zeitungen aufkaufte, sie zusammenlegte und zu einem liberal-demokratischen Massenblatt ausbaute, das mit Sensationsberichten und Enthüllungen, aber auch fundierten Reportagen, zum Vorbild der Weltpresse wurde. Durch den enormen Anstieg der Auflagenhöhe wurde er nicht nur reich, sondern errang auch politischen Einfluss. Er war 40 Jahre alt als er nach einer schweren Krankheit erblindete. Doch er blieb seiner Zeitung bis an sein Lebensende aktiv verbunden. Acht Jahre vor seinem Tod spendete er einer großen Universität eine Million in der Landeswährung zur Gründung einer Journalistenschule und stiftete testamentarisch einen Preis, der bis heute jährlich für besondere Verdienste auf einem speziellem Gebiet vergeben wird. Er wurde 64 Jahre alt.

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Ein

sozialer

Romancier

9 Er wurde in einer Hafenstadt im Süden seines Landes geboren. Als er elf Jahre alt war, zog die Familie in die Hauptstadt. Dort gerieten die Eltern in solche Schwierigkeiten, dass sie im Schuldgefängnis landeten. So musste er bereits als Kind den Lebensunterhalt für sich und seine Geschwister verdienen. Seine Schulbildung fiel dementsprechend dürftig aus, aber er brachte sich viel selbst bei. Nach einer Zeit als Schreiber fand er eine Anstellung bei einer Zeitung. Da war er knapp 20 Jahre alt. Dem Journalismus und der Literatur galt sein Hauptinteresse. Er begann bald kleine Geschichten zu schreiben, die großen Anklang fanden. Sie befassten sich mit den Problemen und Nöten der kleinen Leute und deren inhumanen und unsozialen Lebensbedingungen im Frühkapitalismus. Er heiratete die Tochter des Verlegers und gründete eine eigene Zeitschrift, in der alle seine Geschichten und späteren Romane erschienen. Als Journalist und Autor höchst erfolgreich, betrachtete er diese Zeit stets als die glücklichste seines Lebens. Doch die Ehe zerbrach. Von einem schlimmen Eisenbahn-Unglück, bei dem er zwar äußerlich unverletzt blieb, erholte er sich nie mehr. Stets kränkelnd und durch die unermüdliche Arbeit geschwächt, versuchte er dennoch aktiv zu bleiben. Er unternahm Lesereisen und begann ein neues Buch, das nicht mehr fertig wurde. Er starb mit 58 Jahren an einem Gehirnschlag.

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Eine

sinnliche

Schriftstellerin

10 Sie wurde drei Jahre nachdem in ihrem Land die Republik ausgerufen worden war, in einem kleinen Dorf in der Provinz geboren. Dort wuchs sie behütet auf. Kaum halbwegs erwachsen, zog es sie in die pulsierende Hauptstadt. Dort fiel sie in ihrer jugendlichen Naivität auf einen sehr viel älteren Lebemann, einen Journalisten, herein, den sie auch heiratete. Seiner jungen Ehefrau, bei der er ein Talent zum lebendigen Erzählen entdeckt hatte, befahl er, ihre Erinnerungen in Romanform aufzuschreiben, die er dann unter seinem eigenen Namen erscheinen ließ. Nach 13 Jahren kam die Trennung. Als man herausfand, dass von ihr die Jugend-Romane stammten, erhielt sie viele Angebote. Unter ihrem eigenen Namen schrieb sie alsbald Romane und Erzählungen, hauptsächlich über menschliche Beziehungen, voller Leidenschaft und Sinnlichkeit, sehr psychologisch die Rolle der Frau in den damaligen Ehen beschreibend. Es war eine ganz neue Form in der Literatur ihres Landes zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Sie erregte Aufsehen und wurde mit Preisen ausgezeichnet, heiratete erneut und bekam mit 40 Jahren ihr einziges Kind. Als ihr Mann starb, hatte sie sich schon so durchgesetzt, dass sie ein unabhängiges Leben führen und vom Schreiben leben konnte. Es erschienen etwa 70 Bücher von ihr. Mit 62 Jahren wagte sie eine dritte Ehe, die ihre glücklichste werden sollte. Sie wurde 81 Jahre alt und erhielt als erste Frau ihres Landes ein Staatsbegräbnis.

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