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Kultur: Das Boxer-Drama von Norman Jewison

Denzel Washington spielt den Athleten als Mönch. Boxkämpfe werden, wie alle wichtigen Dinge des Lebens, mit dem Kopf entschieden, nicht mit der Faust.

Denzel Washington spielt den Athleten als Mönch. Boxkämpfe werden, wie alle wichtigen Dinge des Lebens, mit dem Kopf entschieden, nicht mit der Faust.chs

Vom Hauptdarsteller sieht man in "The Hurricane" am Anfang nur die Beine. Sie stecken in halbhohen Sportschuhen und betreten einen Boxring, über dem der Dunst einer mit Tausenden Zuschauern gefüllten Halle liegt. Der Mittelgewichts-Champion Rubin Carter, der von seinen Fans wegen der überfallartigen Wucht seines Kampfstils nur "Hurricane" genannt wird, gewinnt auch diesen Fight in der ersten Runde durch K.O. Aber nicht seine Schnelligkeit, sondern die Fähigkeit, sich vor einer Begegnung so konzentrieren zu können, dass er die Welt drumherum einfach vergisst, ist das eigentliche Talent dieses Boxers. Denzel Washington spielt den Athleten als Mönch. Bis unmittelbar vor dem ersten Gong trägt er einen kuttenartigen Trainingsmantel, in dem sein Körper nahezu vollständig verschwindet: Boxkämpfe werden, wie alle wichtigen Dinge des Lebens, mit dem Kopf entschieden, nicht mit der Faust. Am Ende des Films, nach zweieinhalb Stunden, wird der Boxer wieder hinausgehen zu einem Kampf und wieder wird er dabei sein Gesicht in seiner Kutte verstecken: New Jersey 1985. Nur dass der Ring diesmal in einem Gerichtsaal liegt.

Selten hat ein Film die Genres des Sport- und des Courtroom-Dramas so kunstvoll ineinander verflochten wie "The Hurricane". Regisseur Norman Jewison blendet in atemberaubendem Tempo zwischen den Stationen dieser Sportlerkarriere - Boxarena, Gefängnis, Anklagebank - und den Jahrzehnten hin und her, dass einem schwindlig werden kann. Die Story vom Beinahe-Weltmeister, der aufgrund gefälschter Zeugenaussagen 22 Jahre wegen Mordes unschuldig hinter Gittern saß, erzählt er als sehr amerikanische Passionsgeschichte mit Happy-End. Als Carter wegen Aufsässigkeit für 90 Tage in ein Kellerloch geworfen wird, macht Washington daraus ein schauspielerisches Kabinettstück: Er halluziniert Gesichter und Stimmen und beginnt ein rappendes Selbstgespräch. Was nervt an diesem Wettbewerbsbeitrag der Berlinale, ist sein triumphierendes Gutmenschentum. Herausgeholt aus dem Knast wird Rubin von einem schwarzen Jungen, der aus denselben Ghetto-Verhältnissen stammt. Mit Hilfe einiger weißer Bürgerrechtler gelingt ihm die Wiederaufnahme von Rubins Verfahren. Rassismus, so die Botschaft des versöhnlerischen Biopics, hat es in Amerika nur zu einer Zeit gegeben, als alle Männer Hüte trugen und in Boxarenen noch geraucht werden durfte.Heute 21.30 Uhr (Berlinale-Palast), morgen 20 Uhr (International) und 23.30 Uhr (Royal)

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