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Kultur: Das Buch in groben Zügen

In Friedrichshain gibt es einen Laden, der nennt sich „Buch Handlung“. Sonst locken ja nur Frisöre mit messerscharfen Wortspielen (Schnittstelle, Haareszeiten, Cutbusser usw.

In Friedrichshain gibt es einen Laden, der nennt sich „Buch Handlung“. Sonst locken ja nur Frisöre mit messerscharfen Wortspielen (Schnittstelle, Haareszeiten, Cutbusser usw.), aber hier ist es einmal ein Geschäft für Gedrucktes, das mit einem halben Kalauer auf sich aufmerksam macht. Um die Ecke ist ein Restaurant/Take-out mit Namen Fischschuppen, aber das führt vom Thema weg. Es geht um Bücher, um die Masse von Neuerscheinungen, die der Erzähler Bodo Kirchhoff beklagt. „Es gibt keinen Prominenten, keinen abgehalfterten Minister, keinen abgehalfterten Sportler, der nicht sein Buch schreibt“, schimpft Kirchhoff. Er hat in diesem Jahr den Roman „Die Liebe in groben Zügen“ publiziert, schöne Kritiken bekommen und stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2012.

Kirchhoff ist ein regelmäßiger Besucher von Buchhandlungen. Er hat sich daran gewöhnt, „durch ein Spalier von Büchern von Fernsehleuten“ gehen zu müssen, bis er weiter hinten seine eigenen Werke findet. Wie gut man ihn verstehen kann! Man betritt einen Buchladen, hält nach dem eigenen Namen (oder dem des Freundes, der Ehefrau) Ausschau – und nichts! Sie haben das Buch nicht. Sie können es bestellen, toll! Oder es vergammelt zwischen anderen, viel besser aufgemachten Bänden, bis der Ramsch ruft. Es gibt nichts Deprimierenderes.

Ein Buch ist eben nicht nur ein Buch, es ist eine Ware. Und angeblich ist es ja auch ein aussterbendes Produkt. Wogegen nun wieder die Kirchhoff-Wut spricht. Es gibt immer mehr Bücher, jeder will eins schreiben oder schreiben lassen oder sich mit etwas in der Öffentlichkeit verbinden, das zumindest so aussieht wie ein Buch. In digitalen Zeiten scheint der analoge Persönlichkeitsausdruck immer mehr zum Adelszeichen zu werden. Bettina W., Kulturherzinfarkte, das immer so schnell beleidigte Ehepaar aus dem Berliner Westend mit seinen Präventivschlägen oder auch der Playboy mit dem paradiesischen Namen – ist schon arg, was so ein armer Buchrücken aushalten muss.

Vielleicht geht Bodo Kirchhoff einfach nur in die falschen Buchläden. Buch reicht eben nicht, man möchte sich auch gut behandelt wissen, als Leser wie als Autor. Unabhängige Buchhändler aus ganz Deutschland haben sich nun zu einer Initiative zusammengetan, die sich „buy local“ nennt und den „inhabergeführten Einzelhandel“ will. Handlung und Haltung, darum geht’s.

Da liegt „Die Liebe in groben Zügen“ dann schön im Schaufenster. Alle anderen kämpfen sich durch Kirchhoff-Stapel, Kirchhoff-Türme, Kirchhoff-Aufsteller und Kirchhoff-Tische. Bis sie endlich das eigene Buch in Händen halten, versonnen darin blättern und es ein wenig sichtbarer ins Regal zurückstellen.

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