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Kultur: Das Eis wird dünner

Die deutschen Auktionshäuser blicken auf erste gute Ergebnisse – und machen sich trotzdem Sorgen

Das Frühjahr 2007 war für alle da: Damals erzielten sechs Auktionshäuser zwischen München und Bremen neun Einzelzuschläge in Millionenhöhe. In dieser Saison konzentriert sich das HochpreisSegment nun wieder auf die hiesigen Marktführer, das Kölner Kunsthaus Lempertz und die Villa Grisebach in Berlin. Wobei Zuschläge in siebenstelliger Höhe lediglich bei Grisebach verbucht werden konnten. Das Publikum zeigte sich nämlich ausgesprochen wählerisch.

So war dem teuersten Objekt der klassischen Moderne bei Lempertz, Fernand Légers „Le Village“, die Mindestschätzung nicht vergönnt. Noch im vergangenen Frühling hatte eine vergleichbare Gouache des Franzosen einen Hammerpreis von 1,05 Millionen Euro eingespielt. Nun hegt ein Museum Interesse an der kubistisch flirrenden Landschaft, aber nicht zu den verlangten 600 000 Euro. Die Nachverhandlungen mit dem Anbieter stehen noch aus.

Ähnlich erging es Damien Hirsts „Dicetyl Phosphate“. Das Top-Los bei Lempertz wurde zunächst unter Vorbehalt zugeschlagen: Das Gebot von 380 000 Euro für das gerade drei Jahre alte Punktebild hatte die untere Taxe verfehlt. Im Nachhinein akzeptierte der sükoreanische Einlieferer den Preis allerdings.

Den Zenit des Kunstmarktbooms sieht Henrik Hanstein denn auch überschritten: „Das Geschäft ist gut, aber das Eis wird dünner.“ Als Gründe macht der Lempertz-Inhaber die mitunter übersteigerten Erwartungen der Einlieferer, vor allem aber die Dollar-Schwäche aus: „Die Nordamerikaner fehlen.“ Spitzenreiter der 13 Auktionen bei Lempertz wurde mit dem „Feldhasen“ von Hans Hoffmanns (1582) ein Altmeister: Sein possierliches Tier brachte es im Rahmen der oberen Schätzung und inklusive Aufgeld auf 718 000 Euro.

Sehr selektiv aufgenommen wurde die Moderne-Offerte. In den vergangenen Jahren hat sich das Kölner Traditionshaus stark auf die zeitgenössische Kunst fokussiert, die die Klassiker im Katalog und bisweilen auch bei den Ergebnissen nun überrundeten. Das mag manchen Besitzer bewogen haben, seine Bilder des frühen 20. Jahrhunderts lieber gleich der Konkurrenz in Berlin anzuvertrauen. Mit einigem Abstand und entsprechender Euphorie setzte sich die Villa Grisebach an die Spitze der ersten Jahreshälfte. 15,5 Millionen Euro erzielte allein die Abendauktion, wo 77 ausgewählte Werke dem Haus die bislang erfolgreichste Einzelauktion bescherten.

Obgleich die Kundschaft auch hier bedacht agierte und einiges im Rahmen der unteren Schätzung blieb. Den erneuten „Ruck nach oben“ sieht Grisebach-Geschäftsführer Bernd Schultz deshalb nicht nur in den Millionen-Ergebnissen für Macke und Pissarro begründet, sondern gerade in der Breite. Tatsächlich sorgten die teils gewaltigen Sprünge im mittleren Preisgefüge auch in den anderen Auktionshäusern für stabile Ergebnisse. Ein Werk wie Noldes „Nadja“, teuerstes Los des gesamten Vorjahres, fehlte im Münchener Auktionshaus Ketterer zwar dieses Mal. Doch dafür trugen eine zart konturierte „Cariatide“ von Modigliani für 425 000 Euro sowie ein mit 360 000 Euro (nach Aufgeld) rekordverdächtiges Aquarell von Schmidt-Rottluff zum Gesamtbrutto von 6,4 Millionen Euro für die Kunst des 20. Jahrhunderts bei.

Wie überhaupt Papierarbeiten gefragt waren, wenn Qualität, Marktfrische oder Provenienz überzeugten. Bei Bassenge in Berlin wurden die Erwartungen für eine exzellente Kollwitz-Sammlung verdreifacht, und Gustav Klimts Studie einer „Dame in eleganter Robe“ sorgte mit einem Hammerpreis von 215 000 Euro für Furore. In Köln meldet van Ham einen Hausrekord (3,2 Millionen Euro) für die Moderne und Zeitgenossen, zu dem nicht zuletzt eine Grafik Polkes für über 100 000 Euro beitrug. Aber auch hier setzt die Villa Grisebach neue Maßstäbe: Die Gouache „Geschwister“ verbuchte mit mehr als 900 000 Euro den weltweit höchsten Preis für eine Papierarbeit von Max Beckmann. Das Eis mag dünner werden, doch trägt es noch; vorausgesetzt der Markt offeriert gute Kunst zu vernünftigen Preisen.

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