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Kultur: Das Ende vom Lied

Am Anfang war ein Hund, der mit neugierig schief gelegtem Kopf vor einem Edison-Phonographen saß und der Stimme seines Herrn lauschte. „His Master’s Voice“ stand auf dem Etikett – englisch: Label –, das die britische Gramophone Company ab 1909 auf ihre Schellackplatten kleben ließ.

Am Anfang war ein Hund, der mit neugierig schief gelegtem Kopf vor einem Edison-Phonographen saß und der Stimme seines Herrn lauschte. „His Master’s Voice“ stand auf dem Etikett – englisch: Label –, das die britische Gramophone Company ab 1909 auf ihre Schellackplatten kleben ließ. Der Hund, ein Terrier, hieß übrigens Nipper.

Als die Gramophone Company 1931 mit ihrem größten Rivalen UK Columbia Records fusionierte, war das ruhmreichste und einflussreichste Tonträgerunternehmen des 20. Jahrhunderts geboren. Es erhielt den Namen Electric and Musical Industries, abgekürzt: EMI. Otto Klemperer, Arturo Toscanini und die Shadows nahmen dort Platten auf. Aber endgültig in den Olymp aufsteigen sollte die Firma erst, als sie im Mai 1962 einen Vertrag mit den Beatles abschloss. Zuvor hatten die Konkurrenten von der Decca Probeaufnahmen mit der Band gemacht, sich aber nicht dazu entschließen können, ihre Musik herauszubringen. Vom Rhythm and Blues dieser seltsamen Langhaarigen, so glaubten die Decca-Bosse, würde schon bald niemand mehr etwas wissen wollen. Die Single „Love Me Do“ mit der Rückseite „P.S. I Love You“, Katalognummer 45-R 4949 beim EMI-Unterlabel Parlophone, erschien im Oktober 1962. Der Rest ist Popgeschichte.

Ziemlich genau 50 Jahre später steht die einst größte Plattenfirma der Welt vor der Abwicklung. Die EU-Kommission hat der Übernahme der EMI durch die amerikanische Universal Music Group zugestimmt. Der Kaufpreis soll bei 1,5 Milliarden Euro liegen. Damit ist von den „Big Four“ Universal, Warner, Sony und EMI, die jahrzehntelang das weltweite Musikgeschäft beherrschten, nur noch ein Trio übrig. In die finanzielle Schieflage geraten war EMI, weil es ihr nicht gelang, den Einbruch der CDVerkaufszahlen zu kompensieren und ein Geschäftsmodell fürs Internet zu entwickeln. Vollends ruiniert wurde sie von dem Finanzinvestor Guy Hands, der die Firma 2007 übernahm. Er vergraulte Stars wir Radiohead und die Rolling Stones und hinterließ ein Defizit von 1,57 Milliarden Pfund.

Ist das Ende der EMI ein Drama? Ja, natürlich. Vor allem für die 2000 Mitarbeiter, die bereits ihre Arbeitsplätze verloren haben. Aber ist es auch ein Menetekel, ein Anlass für Kulturpessismismus? Nö, eher nicht. Labels verlieren an Bedeutung, aber an guter Musik wird es auch künftig nicht mangeln. Auf welchem Weg sie die Hörer erreicht, ist beinahe belanglos geworden. Paul McCartney, der sich im Zorn von der EMI trennte, hat sein letztes Album „Kisses on the Bottom“ im Februar bei der Firma Hear Music herausgebracht. Sie gehört zum Kaffeehausmulti Starbucks.

Ein Nachruf auf die

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