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Kultur: Das Festival kostet den Steuerzahler 400.000 Mark - Jetzt soll es abgewickelt werden

"Tun sie, als wäre nichts geschehen", habe man ihm geraten. Was ihn beruhigen sollte.

"Tun sie, als wäre nichts geschehen", habe man ihm geraten. Was ihn beruhigen sollte. Aber Ihno von Hasselt, dem Produktionsleiter des Berliner JazzFests, ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, Verträge mit Musikern abzuschließen, die derzeit niemand bezahlen will. Jedenfalls nicht die neue Kultursenatorin Christa Thoben (CDU), die zur Sanierung des Kulturetats Einsparung in Höhe von 32 Millionen Mark vornehmen muss. Wenn auch der Löwenanteil im Wissenschaftsbereich aufgebracht wird, hat sie doch ausgerechnet das Berliner JazzFest auserkoren, um 206 000 Mark einzubehalten. Das entspricht exakt jener Summe, die "unter Berücksichtigung von Abwicklungskosten" aus dem Festival herauszuschlagen sind. Die andere Hälfte der sich insgesamt auf 406 000 Mark belaufenden Subvention stünden erst ab 2001 zur Verfügung. Vorausgesetzt, Thoben hält tatsächlich an ihrem Plan fest, das JazzFest "einstellen" zu wollen.

Lediglich Ulrich Eckhardt, Intendant der Berliner Festspiele, protestierte sofort heftig. Er werde für den Erhalt des Festivals kämpfen, kündigte er an. "Gewinn und Verlust stehen völlig außerhalb jeder Proportion. Die Stadt gewinnt 200.000 Mark. Aber sie verliert einen Ruf". Der Festspiel-Chef erreichte zumindest, dass die Kultursenatorin sich bei ihm für die Plötzlichkeit ihrer Entscheidung entschuldigte. "Man hätte die Streichung der Gelder früher ankündigen müssen", wendet Eckhardt ein. "Jetzt bestehen vorvertragliche Verpflichtungen, die wir nicht zurücknehmen können." Was bedeutet: Entweder bestreiten die Festspiele das JazzFest im November aus eigenen Mitteln - und häufen ein Defizit an. Oder es finden sich andere Geldquellen.

Die Kultursenatorin versprach, so Eckhardt, sich um die Angelegenheit selbst zu kümmern. Womit eine Lösung immer wahrscheinlicher wird: Die vom Haushalt gestrichenen Gelder werden von der Lotto-Stiftung aufgefangen. An Absichtserklärungen mangelt es allerdings nirgends: Während die Berliner SPD sich für eine Rücknahme der Subventionskürzung einsetzen will, wird auch die CDU "alles versuchen, um das JazzFest zu retten", wie Klaus Landowski erklärt. Er gehört dem sechsköpfigen Stiftungsbeirat an, der in diesem Jahr etwa 139 Millionen Mark an bedürftige Einrichtungen vergeben darf. Zwar kann er nur etwa einem Drittel aller Förderanträge nachkommen, doch werden die im Stiftungsrat versammelten Koalitionsspitzen kaum ein Interesse daran haben, ihre Kultursenatorin wegen einer so lächerlichen Summe bloßzustellen.

Es drängt sich sogar der Eindruck auf, als habe Thoben dem JazzFest die Haushaltsmittel überhaupt erst im Hinblick auf eine Lotto-Lösung entzogen. Während nämlich bezirksübergreifende kulturelle Aktivitäten - wie Sonnenuhr und Tacheles - zukünftig 823 000 Mark mehr erhalten sollen, aber kaum Aussicht auf eine Lotto-Förderung hätten, ist das JazzFest so unentbehrlich für die Stadt, dass der Stiftungsbeirat es gar nicht fallen lassen kann.

Doch eine Finanzierung durch Gelder der Deutschen Klassenlotterie ist problematisch. Einerseits weil die Stiftungssatzung eine Dauerfinanzierung von Veranstaltungen ausschließt. Andererseits weil die Bestandsgarantie fortan von einem Gremium abhängig wäre, das dem Votum des für die Begutachtung zuständigen Senators nicht unterliegt und auch seine Entscheidungen nicht begründen muss. Es wäre plötzlich der willkürlichen Sympathie einer Altherren-Clique überlassen, ob das JazzFest durchgeführt werden kann oder stirbt. "Man schließt keine Institution", beschwichtigt der CDU-Kulturexperte Uwe Lehmann-Brauns, "außer es geht keiner mehr hin."

Das kommende JazzFest, mit dem Albert Mangelsdorf sich als künstlerischer Leiter verabschiedet, werde "eines der besten, das wir seit Jahrzehnten gehabt haben", freut sich von Hasselt. Dass danach eine Strukturreform des rennomiertesten deutschen Jazz-Festivals unumgänglich wird, weil das Festhalten am traditionellen Konzept katastrophale Folgen hätte, weiß er. Und will es ändern. Aber auch sein Arbeitsvertrag läuft Ende des Jahres aus und müsste nur nicht verlängert werden. "Das Ende", warnt er, "gibt es relativ billig."

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