zum Hauptinhalt

Kultur: Das fliegende Klassenkampf- Zimmer Wie Campino und Co.

den G-8-Gipfel besuchen

Pilot Jack schaut stoisch aus dem Cockpit. Nein, für heute erwarte er keine Turbulenzen. Lediglich die lebenslustige Fracht mache ihm Sorgen: Das letzte Aufgebot deutscher Live 8-Veteranen, bereit zum finalen Gefecht, besteigt die DC-6B auf dem Flughafen Tempelhof mit Ziel Edinburgh.

Eine bunte Truppe, die lediglich der gute Zweck zu einen scheint: Campino, der Tote-Hosen-Sänger; Barbara Becker, die sich unermüdlich vor den drohenden Propellern des Flugzeugs postiert, als seien diese die Klingen, die die Welt in Scheiben schlagen; und der ewige Zweite, Moderator Elton, der sich tapfer gegen das Schmidt-Feuerstein-Syndrom wehrt und sich aus dem Schatten von Stefan Raab zu scherzen versucht. Mit weiteren Mitreisenden sind sie auf ihrem „Long Walk for Justice“, unterwegs zur Abschlussveranstaltung der Live 8-Initiative von Bob Geldof. „Dem muss ich mal die Hand schütteln“, sagt Elton und schlägt im selben Atemzug die direkte Landung vor dem Gleneagles Hotel vor, wo der G 8-Gipfel steigt. „Dann muss ich nicht so weit laufen.“

Das Flugzeug passt zu Eltons Kampfeslust. Denn die DC-6B, Baujahr 1958, bereitgestellt von den „Flying Bulls“, hinter denen ein Getränkehersteller steckt, wurde einst von Tito, Jugoslawiens Blockfreien-Leader, zum Luxusflieger umgerüstet. Aber da sein Spielzeug ihn bald langweilte, verkaufte er es an Sambias Staatschef Kenneth Kaunda. Doch das Düsenzeitalter verdrängte die Propeller, so wie Kaunda 1990 und seine korrupte Partei von der Opposition verdrängt wurden. Der Gedanke, dass ein ehemaliger balkanischer Partisan und ein afrikanischer Unabhängigkeitskämpfer vor ihm in diesen Sesseln Platz genommen haben, inspiriert Campino. „Wenn wir abstürzen, denke ich an Tito. Ich bin einer aus einer Million, nichts Besonderes. Ich tue meinen Teil für die Sache, dies ist für mich eine Spaßveranstaltung.“

Herbert Grönemeyer und Claudia Schiffer hatten versprochen, die deutsche Delegation am schottischen Flughafen abzuholen. Dann wird Kapitän Jack die Motoren des „Fliegenden Klassen(kampf)zimmers“ abstellen und die DC-6B neu betanken lassen. Seine Fluggäste haben dann einen netten Ausflug hinter sich gebracht; zum Protestieren dürften sie kaum eine Gelegenheit finden: Der Luftraum über Gleneagles ist in diesen Tagen gesperrt.

Uli Schüler

Zur Startseite