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Kultur: Das Forum fehlt

Adenauer-Stiftung: Disput über Hauptstadtarchitektur

Ist es gelungen, Berlin zur Hauptstadt des wiedervereinten Deutschland umzubauen? Nicht mehr und nicht weniger wollte die Konrad-Adenauer-Stiftung wissen und lud dazu die Architekten Louisa Hutton, Gesine Weinmiller und Gustav Peichl, die ehemalige Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit sowie den ehemaligen Vorsitzenden der Baukommission des Deutschen Bundestags Dietmar Kansy (CDU) zu einer Podiumsdiskussion in ihr Berliner Haus.

Da packt man ihr ordentlich was auf den Buckel, der Hauptstadtarchitektur. Ihr wachse die Verantwortung zu, die neuen politischen Verhältnisse mit der Osterweiterung der EU zum Ausdruck zu bringen, erwartet Anton Pfeifer, Staatsminister a.D. und stellvertretender Vorsitzender der Stiftung. Ob die Hauptstadt das leisten könne und wie die Konversion der beiden Halbstädte zur gesamtdeutschen Hauptstadt architektonisch zu beurteilen sei, fragte er die Expertenrunde. „Grosso modo geglückt“, konnte Moderator Bernhard Schulz, Feuilleton-Redakteur des Tagesspiegel, am Ende resümieren. Man lehnt sich zufrieden zurück und lobt einhellig, was in zehn Jahren aufgebaut worden ist.

Verwunderlich ist die Eintracht nicht, denn Vertreter einer Gegenposition waren nicht auf dem Podium vertreten. Barbara Jakubeit erzählte dem Berliner Fachpublikum in einem (zu) langen Einführungsvortrag über die Hauptstadtwerdung, was ohnehin die Mehrzahl der Zuhörer wusste. Nur Dietmar Kansy nutzte die Gelegenheit, zwei hartnäckige Legenden aus der Welt zu schaffen. Die allseits gelobte Reichstagskuppel sei kein Geniestreich der Planer und Architekten gewesen, sondern die Bundestagsabgeordneten hätten die Kuppel gefordert und gegen den Widerstand von Denkmalpflegern, Architekten, Kunst- und Kulturhistorikern durchgesetzt, und selbst Architekt Lord Norman Foster habe erst zum Entwurf überredet werden müssen.

Schmuggelgut eines Architekten

Und als das Nichtzustandekommen des Bürgerforums zwischen Paul-Löbe-Haus und Kanzleramt beklagt und auf der Suche nach dem Schuldigen alles Richtung Dietmar Kansy blickte – ausgerechnet der symbolisch wichtigste Ort, jener für das Gespräch mit dem Bürger, sei dem Rotstift zum Opfer gefallen –, betonte Kansy, das Bürgerforum sei nie offizielles Programm und daher nicht Bestandteil der Wettbewerbsausschreibung gewesen, sondern eine Idee des Architekten Schultes zur Komplettierung seines preisgekrönten „Bandes des Bundes“. Dafür sollten sich nun die Berliner stark machen. Schade nur, dass das Areal zu lange Tunnelbaustelle war und deshalb Funktionen wie die Parlamentarische Gesellschaft oder die Ausstellung „Fragen an die deutsche Geschichte“, die dem Bürgerforum Sinn gegeben hätten, anderweitig untergebracht wurden. Nun weiß niemand so recht, wie ein Forum aussehen sollte und wozu es dienen könnte.

Unerfüllte Ministerwünsche

Das „Band des Bundes“ ist die einzige städtebauliche Sondermaßnahme des Hauptstadtbaus. Als Glücksfall beurteilte das Podium einhellig die Tatsache, dass es gelungen ist, entgegen der Pläne der damaligen Bauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) die übrigen Regierungsfunktionen in bestehenden Regierungsgebäuden der Vorwendezeit unterzubringen und sie somit in die Stadtstruktur zu integrieren. Ein vom Großstadtgetriebe isoliertes Regierungsgetto, sicherheitstechnisch abgeschottet nach den Vorstellungen des Bundeskriminalamts, konnte verhindert werden.

Auch anfängliche Wünsche der Bonner Minister nach Abriss der Bauten aus der NS-Zeit (Propagandaministerium, Reichsluftfahrtministerium, Reichsbank – später allesamt in DDR-Regierungsfunktion) konnten abgewendet werden. Aufs Feinste saniert und vielfach um Erweiterungsbauten ergänzt, erfüllen sie nach wie vor ihren Zweck und legen Zeugnis ab von den geschichtlichen Wechselfällen Berlins.

Detailkritik war von den Architekten zu hören. Louisa Hutton beklagte das Fehlen öffentlicher Nutzungen im Jakob-Kaiser-Haus entlang der Dorotheenstraße. Der Wiener Gustav Peichl – Schöpfer der Bundestags-Kindertagesstätte im Spreebogen – ist mit den Maßstäben nicht zufrieden, spottete in gewohnt hemdsärmliger Manier, das Paul-Löbe-Haus sehe aus wie ein „Giraffenhaus“ und gefiel sich (offenkundig in Verkennung der Berliner Situation) in pauschaler Presseschelte. Gesine Weinmiller – die die Residenzen des Bundeskanzlers und des Bundestagspräsidenten gestaltet hat – hält das nur in Teilstücken realisierte „Band des Bundes“ für symptomatisch: „Die Stadt der Fragmente bleibt eine Stadt der Fragmente. Vielleicht finden meine Kinder dort beim Schließen der Lücken eine lohnende Aufgabe.“

Die Hauptstadt sei fertig, so Bernhard Schulz in seinem Ausblick, nun gelte es, den Bund als Bauherrn für die Kulturinstitutionen Berlins, von Schlossaufbau bis Museumsinsel, in die Pflicht zu nehmen. – Womit er sowohl Kultur- wie Finanzsenator der gebeutelten Stadt aus dem Herzen sprach.

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