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Kultur: Das große Bullyhoo

Circus Maximus: Im Münchner Mathäser wird Michael Herbigs neue Filmkomödie „(T)Raumschiff Surprise“ uraufgeführt

Am hellen, heißen Münchner Montagmittag steigt ein Mann in die Trambahn Nummer 19. Er fährt Richtung Marienplatz. Der Mann trägt das Hemd über der Hose. Er schaut sich mehrmals um, ob jemand zu ihm hinschaut, aber es schaut keiner. Es ist Peer Augustinski. Heute ist sein freier Tag. Peer Augustinski hat immer noch eine fistelige Finsterlingsstimme und spielt in der Kleinen Komödie, einem Boulevardtheater an der Maximilianstraße, zurzeit an sechs Tagen der Woche mit der kompletten „Klimbim“-Familie die alten „Klimbim“Geschichten nach. Die Vorstellungen sind ganz gut besucht. „Klimbim“ hat einmal die halbe Republik aufgeregt, das ist fast 30 Jahre her. Viele Leute fanden „Klimbim“ damals zotig und daneben; es war der erste ernsthafte Versuch einer Fernseh-Comedy in Deutschland. Aber die meisten Deutschen lachten lieber über Loriot, wenn bei dem das Frühstücksei zu hart war.

Dann aber ist Michael Herbig aus München unter die Deutschen  gekommen. Wenn man jetzt sagt, dass bei Herbig, der mit 36 immer noch wie ein Bub aussieht, alles ganz schnell ging, dann  stimmt das nicht ganz. Herbig, den alle Bully nennen, hat einerseits die Ochsentour gemacht und andererseits eine Traumkarriere. Als sie ihn an der Münchner Filmhochschule ablehnten, versuchte sich Herbig als Dampfplauderer bei Radio Energy und produzierte Ansagetexte für Anrufbeantworter. Folgte die „Bullyparade“ im Fernsehen, dann „Der Schuh des Manitu“.

Im deutschen Feuilleton kam Herbig nicht vor. Aber über zwölf Millionen Menschen wollten sich im Kino gerne anschauen, wie ein tuntiger Mann, der an Winnetou erinnerte, gegen das Böse namens Santa Maria kämpft. Die Guten sagen da: „Ich wäre so gerne eine echte Hautrot“ und knödeln zu der Melodie von „Moon River“. Der Böse sagt: „Guten Morgen Männer, jetzt geht noch mal jeder aufs Klo, und dann geht’s los...“ „Der Schuh des Manitu“ war eine Ausweitung der Infantilitätszone, ein Riesenklimbim und der größte Erfolg in der Geschichte des deutschen Kinos. Danach ließ Bully Herbig abstimmen, was die Leute als Nächstes veralbert haben wollten. Wahre Könige sind immer Demokraten. Das Volk hätte „Sissi“ bekommen  können, es wählte jedoch „Raumschiff Enterprise“.

Für die „Welturaufführung“ von „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“  hat der Verleih von Bully Herbig das größte und das neueste der Münchner Kinos gemietet – und zwar alle 14 Säle in diesem Kino. Im Mathäser am Hauptbahnhof ist Kurt Eisner einmal auf den Tisch gestiegen, bevor er die Republik ausgerufen hat. Aber für Revolutionen ist Bully Herbig nicht zuständig. Revolutionen sind meistens nicht lustig. Bully Herbig jedoch will Spaß, und wenn sich jetzt der Stadtrat der Münchner „Rosa Liste“, Thomas Niederbühl, öffentlich beschwert, weil Bully in seinen Filmen „homosexuelle Klischees“ bediene, dann schert das Herbig nicht groß. Das Tuntige ist Bullys Masche. Die meisten mögen das, vor allem die Heterosexuellen, aber eben auch die Schwulen zu großen Teilen, und mit dem Rest des Phänomens muss sich die Filmkritik oder die Psychoanalyse beschäftigen.

Am Nachmittag stehen viele Mitarbeiter jener Lokalradios, die Bully Herbig früher einmal als Mitarbeiter abgelehnt  haben, auf der Straße vor dem Mathäser, haben ein Mikrofon in der Hand  und bieten ihren Hörern atemlos die „definitiv letzten zwei Karten für die Premiere an“. Es gibt viele von diesen definitiv letzten Karten. Am Abend sind sie alle weg. Zur Pressevorführung vor der Gala kommt der Regisseur und Produzent und Hauptdarsteller Herbig selber auf die Bühne. Er trägt das Hemd über der Hose und sagt, dass sein Film das Prädikat „wertvoll“ bekommen habe und „ab sechs“ sei. Es gibt in der Nachmittagsvorstellung sehr viele Journalisten, die gerade erst in diesem Alter sind. Und die anderen, sagt Bully Herbig, müssten  vielleicht nicht alles aufschreiben, denn das Ganze solle doch noch eine Überraschung sein für das Publikum.

Es ist dann nicht wirklich erstaunlich, dass die Parodie „(T)raumschiff Surprise“ munter ihre Vorlagen „Star Trek“ „Star Wars“ und „Das fünfe Element“ zitiert, Aber es überrascht doch, mit welch vergleichsweise geringem Aufwand an Witz ein ganzer Saal zu erheitern ist, wenn Schrotti, Spuck und Pulle (ehemals: Scotty, Spock und Pille) auf ihrer Zeitreise in,  nun ja, Schwulitäten geraten. Der Space-Taxifahrer (Til Schweiger) heißt Rock Fertig-Aus, der Böse ist immer der Sachse, und wenn der Käpt’n seine Crew-Mitglieder zurechtweist, als sie die Rettungswesten bearbeiten, sagt er: „Langsam blasen, Mädels, sonst wird euch noch schwindlig.“ Das Premierenpublikum einigt sich ohne weiteres auf Ovationen im Stehen und den sybillinischen wie ziemlich gleich lautenden Kommentar,  dass „(T)Raumschiff Surprise“ nicht der „Manitu“ sei.

Für Bully Herbigs Heimspiel war vorher der längste Teil der Schlosserstraße gesperrt und auf über hundert Metern mit einem roten Teppich ausgelegt worden. Die Schlosserstraße hinter dem Mathäser ist nicht besonders hübsch und führt an einem Parkhaus entlang, aber so eine Willkommensparty hat es in München wohl noch nie gegeben. Die Mädchen hinter der Absperrung schreien so lange „Bully“, bis Herbig gar nicht mehr anders kann, als daran zu glauben, dass er ihr neuer Gott ist. Von hinten bis nach vorn braucht er geschlagene zwei Stunden.

Bei den anderen Gästen geht es kaum schneller. Kai Pflaume, Stefan Raab, Rudolph Mooshammer, Doris Dörrie, Howard Carpendale, Bastian Pastewka, Barbara Schöneberger und  Sunnyi Melles (um die Wichtigsten zu nennen) werden nicht müde, in die Kameras zu erzählen, dass sie auch nicht genau wissen, warum Bullys softbayrisch verbrämter Humor mittlerweile den Nabel der deutschen Witzwelt darstellt. Til Schweiger sagt, „Bully ist ein Genie“ und redet, als habe er schon drei Oscars gewonnen. Bully Herbig wirkt, als brauche er keinen mehr.

Gut möglich, dass mit dem ganzen Bullyhoo der Gipfel des Ruhms von Michael Herbig überschritten ist. Wenn die Generation Lupo demnächst übernimmt, sind die Gags von gestern, die Herbig geschickt aufbereitet, womöglich nur noch kalter Kaffee. Wie die Zeit vergeht, lässt sich in München an zwei Personen studieren, die kurz hintereinander dem Kino zustreben. Da ist Otto, der Außerfriesische, von dem die Leute sich immer noch gerne einen Ottifanten als Autogramm zeichnen lassen. Und da ist Michaela Schaffrath, vormals Gina Wild, die ihren Busen mit einem Top umspannt hat. Auf dem steht, den Rechtschreibregeln zum Hohn: „Ich hab auch Augen du Arsch!“ Zu den Fotografen sagt sie: „Ich wollte, dass ihr mal was zu lachen habt!“ Bully Herbig hüpft mit halb geschlossenen Augen und wie in Trance an den beiden vorbei. Er ist jetzt nicht ganz von dieser Welt.

Peer Augustinski wurde übrigens nicht im Mathäser gesehen.

MICHAEL „BULLY“

HERBIG

ist mit 36 Jahren Deutschlands erfolgreichster Filmemacher. Knapp zwölf Millionen Menschen sahen seit Sommer 2001 seine Western-Parodie „Der Schuh des Manitu“. Der gebürtige Münchner und gelernte Fotograf startete seine Comedy-Karriere beim Münchner Sender Radio Gong und wechselte 1994 zu Radio Energy. Seit 1998 organisiert er als Autor, Regisseur, Produzent und Darsteller für Pro Sieben die „ Bully Parade“ . Sein erster Kinofilm war 1999 „Erkan und Stefan“.

„(T)Raumschiff Surprise“ startet am Donnerstag, in Berlin in

25 Kinos zu sehen.

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