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Kultur: Das Jüdische Museum jenseits des Streits um des Kaisers Bart

Nach der Einigung über die Struktur des Hauses: Jetzt erweist sich die Berufung Michael Blumenthals als die Chance, die Berlin nicht versäumen darfVON HERMANN RUDOLPHEs gibt in öffentlichen Debatten Phasen, in denen Ruhe nur deren hochkritischen Zustand verbirgt.Es sind die entscheidenden Phasen.

Nach der Einigung über die Struktur des Hauses: Jetzt erweist sich die Berufung Michael Blumenthals als die Chance, die Berlin nicht versäumen darfVON HERMANN RUDOLPHEs gibt in öffentlichen Debatten Phasen, in denen Ruhe nur deren hochkritischen Zustand verbirgt.Es sind die entscheidenden Phasen.In einem solchen Lage hat sich in den letzten Wochen die Diskussion über das Jüdische Museum befunden.Die Direktorenzeit Amnon Barzels war trotz - oder wegen - der lautstarken Auseinandersetzungen eine Zeit des Stillstands, der Stagnation.Mit der Übernahme des Projekts durch Michael Blumenthal hatte das Jüdische Museum wieder die Chance der Entwicklung.Der Unternehmer, Politiker und Administrator Blumenthal drückte auf die Klärung der Grundfragen der Konstitution und der Arbeitsweise des Museums.Die Einigung, die Kultursenator Radunski mit Blumenthal über die Struktur des Museums und seine Stellung in der Stiftung Stadtmuseum erzielt haben, bringt nun das Unternehmen aus der Gefahrenzone eines Scheitern. Der gelegentlich aufgekommene Eindruck hat also getäuscht, die Berufung des neuen Mannes habe zu nichts anderem geführt als zur Fortführung der alten Debatten, in deren Verschlingungen das Vorhaben fast erstickt wäre - Autonomie oder Einordnung, eigene Stiftung oder Hauptabteilung, eigener Etat oder Abhängigkeit vom Stadtmuseum.Tatsächlich ist der Unterschied gegenüber früher beträchtlich, mehr noch: er ist entscheidend: Barzel war der falsche Mann, Blumenthal ist der richtige.Zwar ist er kein Museums-Experte - was der Kunst-Ausstellungsmacher Barzel übrigens auch nur zum Teil war, jedenfalls in bezug auf ein historisches Museum.Aber er hat einen Vorzug, der vermutlich wichtiger ist: Er ist geradezu die Verkörperung dessen, was der Gegenstand des ganzen Vorhabens ist, was den Anstoß gab, das Museum überhaupt zu erdenken, was seine Raison ausmacht. Denn Blumenthal entstammt eben jener jüdisch-deutschen Symbiose Berliner Prägung, deren Entstehung Wirkung und schreckliches Scheitern das Thema des Museums ist - einschließlich der Frage, ob und inwieweit es sich dabei wirklich um eine Symbiose gehandelt hat.Seine Vorfahren haben gelebt und erlitten, was in diesem Museum gezeigt werden soll.Mit seiner Biographie - Berliner Jugend, Flucht vor den Nazis, erst nach Schanghai, dann nach Amerika, nun in der Wolle gefärbter Amerikaner - wäre er selbst ein beeindruckendes Exempel für dessen letzte Kapitel.In ein paar Monaten wird überdies ein Buch zeigen, daß Blumenthal diese Geschichte nicht nur zu seinem Teil miterlebt hat, sondern mehrere Jahre darauf verwendet hat, ihren Wendungen und Unbegreiflichkeiten am Leitfaden der eigenen Familie nachzuforschen - und wenn denn zum Kulturbetrieb das Buch zum Museum gehört, so wäre hier der Fall zu registrieren, daß das, was Blumenthal bewirken kann, so etwas wie das Museum zum Buche wäre. Kurz: wenn jemand das Jüdische Museum flott machen kann - wer, wenn nicht er? Die hochumstrittene Frage nach der Stellung des Museums ist dadurch nicht verschwunden, aber sie hat die Chance, den ihr zukommenden Stellenwert zu erhalten.Als bürokratischer Streit um des Kaisers Bart war sie ein Erbe der Ära Barzel.Anders steht es damit insofern, als sie auch eine Konsequenz der paradoxen Entwicklung des Museumsgedankens selbst ist.Es war der Libeskind-Bau, der den ursprünglichen Gedanken eines "jüdischen Museums als Teil des Berlin-Museums" bravourös über den Haufen geworfen hat und stattdessen die Durchdringung der Berliner Geschichte mit der Geschichte der Juden in Berlin zum Programm machte.Andererseits ist es nicht zuletzt die grandiose Geste dieses Baues, die dem Jüdischen Museum das Eigengewicht gegeben hat, das es gleichsam aus dem Berlin-Museum herausdrängen läßt.Man braucht sich nur vorzustellen, am Kollegienhaus sei stattdessen ein beliebiger Glas-Zement-Silo entstanden, um sich klarzumachen, daß dann bestimmte Debatten gar nicht entstanden Die zentrale Frage muß deshalb die konzeptionelle sein: die nach der Rolle des jüdischen Lebens und des deutsch-jüdischen Zusammenlebens in der Geschichte Berlins und wie sie darzustellen ist.Der Gedanke, die jüdische Abteilung im Berlin-Museum zu einem eigenständigen Jüdischen Museum auszubauen, wurde von der Überzeugung getragen, daß die jüdisch-deutsche Geschichte ein gewichtiges, hochproduktives Element - und Ferment - der Geschichte Berlins sei.Aber diesem jüdisch-deutschen Drama fehlte doch der notwendige Boden seiner Wirkung, wenn sie nicht - gerade in ihrer Eigenständigkeit - immer wieder auf die gesamte Geschichte Berlins zurückbezogen würde.Nur über die Brücke dieser Überlegung führt der Weg zu einer tragfähigen Lösung auch der institutionellen Fragen. An dieser Brücke ist leider in den vergangenen Jahren kaum gebaut worden.Aber von ihr her muß die Frage der Autonomie beantwortet werden: nämlich als eine Autonomie der Sache, die dem Jüdischen Museum und seinem Direktor erlaubt, das zu tun, was nötig ist, um die Durchdringung von jüdischer und deutscher Geschichte in Berlin darzustellen.Die Rechtsform der unselbständigen Stiftung, die nun gewählt worden ist, gibt dem Direktor diese Selbständigkeit, indem sie ihm die alleinige Entscheidungskompetenz bei der künstlerischen Führung einräumt und - was dazu gehört - die finanzielle und personelle Selbständigkeit garantiert.Sie erlaubt eine sozusagen maßgefertigte, nämlich: nach dem Maß dieser Aufgabe ausgerichtete Ausgestaltung des Binnenverhältnisses zwischen dem Jüdischen Museum und dem Berlin-Museum. In dieser Konstruktion die Einfügung des Jüdischen Museums in ein Heimat-Museum und insofern eine Degradierung zu sehen - wie manche Kritiker unterstellt haben -, ist unsinnig und unfair - auch weil es den Charakter des Berlin-Museums verkennt.Diese Gründung der sechziger Jahre hatte durchaus den Ehrgeiz, ein "geschichtliches Museum" für Berlin ins Leben zu rufen.So die Formulierung Edwin Redslobs, des Inspirators, der alles andere war als ein Mann traditioneller Heimatmuseums-Praxis, erst recht nicht deren Ideologie; der FU- und Tagesspiegel-Mitbegründer, Förderer der Moderne und Reichskunstwart in der Weimarer Republik stellte dem Museum durchaus die Darstellung Berlins in seinen neuen Zeiten und in seiner europäischen Bedeutung zur Aufgabe.Man hätte also beim Berlin-Museum - folgt man diesen Intentionen - eher etwa an das Musée Carnavalet zu denken als an die Heimatmuseen, die denen in den Kopf kommen, die damit gegen die Verklammerung von Jüdischem und Berlin-Museum argumentierten. Natürlich wäre es möglich gewesen, das Jüdische Museum - wie viele gefordert haben - vom Berlin-Museum ab- und aus dem Verbund des Stadtmuseums herauslösen.Ein derart auf ganz eigene Füße gestelltes Museum hätte sich allerdings nicht auf die Geschichte des deutsch-jüdischen Verhältnisses in Berlin beschränken können.Es hätte die vielfältigen Formen jüdischen Lebens in Deutschland umfassen, sie sammeln und darstellen müssen, und selbstverständlich hätte es auch nicht von Berlin getragen werden können, sondern wäre eine Aufgabe des Bundes geworden.Es versteht sich, daß die deutsch-jüdische Geschichte in Berlin darin ein besonderes Kapitel gebildet hätte, aber ihr Kontext wäre nicht ihre Verbindung mit der Berliner Geschichte, sondern die ganz deutsche Geschichte gewesen.Es gab mancherlei Gründe, in einem solchen Museum eine Aufgabe zu sehen, die nach dem Schicksal, das das Judentum in Deutschland erlitten hat, der Mühe wert wäre.Aber das wäre eine andere Geschichte gewesen.Sie hätte nicht nur - wie viele annehmen - einen Etiketten-Wechsel bedeutet, sondern zuerst einmal ein Ende der Anstrengungen, die seit mehr als zwei Jahrzehnten in den Gedanken eines Jüdischen Museums in Berlin gesteckt worden sind.

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