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Nächste Ausfahrt Berlin. Henrik Nanasi beginnt im Herbst 2012 in der Hauptstadt. Szene aus dem Stück „L’Etoile“, das er gerade an der Frankfurter Oper dirigiert. Foto: W. Runkel

© Copyright: Wolfgang Runkel

Kultur: Das kann heiter werden

Das Schwere, ganz leicht: Eine Reise nach Frankfurt zu Henrik Nanasi, dem künftigen Chefdirigenten der Komischen Oper Berlin

Der Opernbetrieb ist schon ein verrücktes Business. Unzählige Rädchen müssen ineinandergreifen, diverse Kunstgattungen zusammenarbeiten, damit so ein Gesamtkunstwerk gelingen kann. Darum wird an den großen Bühnen weit im Voraus geplant. Henrik Nanasi beispielsweise weiß jetzt schon genau, was er im Herbst 2012 machen wird: sich vorbereiten auf die Neuinszenierung von Mozarts „Zauberflöte“ nämlich, die er an der Komischen Oper zusammen mit dem neuen Intendanten Barrie Kosky herausbringt. Es wird gleichzeitig sein Einstand als neuer Chefdirigent des Hauses sein. Das Verrückteste dabei: Bei dieser Gelegenheit werden sich die Musiker der Komischen Oper und ihr Maestro erstmals kennenlernen.

Ende Mai wurde die Ernennung von Henrik Nanasi zwar offiziell bekannt gegeben, doch in seinem Terminkalender fand sich bis zum Saisonstart 2012/13 kein Plätzchen mehr für eine Arbeitsphase mit seinem künftigen Ensemble. Das hat ihn bislang nur bei einer einzigen „Fidelio“-Aufführung erlebt, die er kurzfristig als Einspringer übernommen hatte, sowie in einer Probe, aus der kein Konzert resultierte.

Nach kurzem Beschnuppern langfristige Verträge zu machen, ist keine Ausnahme im Klassikbetrieb. Auch das Konzerthausorchester hatte sich seinen designierten Chef Ivan Fischer nach nur einer Probe zum Wunschkandidaten erkoren. Während Fischer allerdings in der Spielzeit vor seinem Amtsantritt drei verschiedene Konzertprogramme am Gendarmenmarkt erarbeitet, muss sich der interessierte Berliner auf Reisen begeben, wenn er Henrik Nanasi jetzt schon erleben will. Zum Beispiel nach Frankfurt am Main, wo der Künstler derzeit Emmanuel Chabriers opéra bouffe „L’Etoile“ dirigiert.

Was man dort zu hören bekommt, steigert die Vorfreude auf den Neuen an der Komischen Oper. Denn der junge Ungar ist ein genuiner Theatermusiker, einer, der mit den Sängern atmet, ein inspirierender Begleiter, der bei Chabriers grotesker Sozialsatire auch nach langen Dialogpassagen atmosphärisch sofort auf den Punkt kommt. Und er kann das, was bekanntlich am Schwersten ist: das Leichte.

Henrik Nanasi hat viel Belcanto dirigiert, heiteren wie ernsten, kennt sich aber auch im französischen Fach aus. Schön knallig nimmt er die Ouvertüre, in grellem Varietésound – und stimmt damit perfekt auf David Aldens turbulente, schwarzhumorige Inszenierung ein, im Laufe derer er sich sogar vom Protagonisten König Ouf I. erschießen lassen muss. Nanasi tänzelt durch die Partitur von 1877, poliert liebevoll Chabriers charmante Instrumentationsdetails, findet aber auch innige Töne fürs lyrische Liebesgeflüster. Fast ist man beruhigt, dass es im Finale des erstes Akts zu einem kleinen Wackler in der Chorkoordination kommt – ganz abgebrüht ist Henrik Nanasi also doch noch nicht.

Seit zwölf Jahren steht der 1975 in Pecs Geborene bereits im Orchestergraben. Nach dem Kompositionsstudium in Budapest und einer Dirigentenausbildung in Wien hat er die traditionelle Ochsentour durch die Provinz absolviert. Seinen ersten Job bekam er im österreichischen Klagenfurt, zunächst als Probenpianist. Doch weil dem Stadttheater plötzlich der Musikchef abhanden kam, durfte Nanasi in Windeseile mehrere bereits laufende Produktionen übernehmen. Er bewährte sich – und konnte 2003 als Kapellmeister nach Augsburg wechseln. 2007 dann wurde er stellvertretender Chefdirigent am Münchner Gärtnerplatz-Theater.

Parallel begannen die großen Häuser, den Nachwuchsmaestro im Repertoirealltag auszuprobieren. Sein erstes bedeutendes Debüt absolvierte der Ungar vor vier Jahren an der Wiener Volksoper, wo er seitdem regelmäßig gastiert. 2010 dirigierte er erstmals an der Dresdner Semperoper, woraufhin er für diese Saison gleich zweimal eingeladen wurde. Im kommenden Jahr wird er sich am Münchner Nationaltheater vorstellen.

In Frankfurt, wo Henrik Nanasi 2009 einige „Bohème“-Abende leiten durfte, vertraute ihm Intendant Bernd Loebe jetzt die Neuproduktion von Chabriers „L’Etoile“ an. Loebe gilt als bester Talentscout der Szene. Gerade ist Frankfurt erneut bei den Kritikerumfragen der „Opernwelt“ und „Deutschen Bühne“ zum interessantesten Musiktheaterhaus Deutschlands gekürt worden.

Von den acht angesetzten „Etoile“-Aufführungen wird Nanasi allerdings nur sechs dirigieren, die letzten beiden überlässt er seinem Assistenten. Sein Terminkalender, wie gesagt, ist prall gefüllt. In Berlin hat sich der smarte Ungar nur für drei Spielzeiten – statt der sonst üblichen fünf – verpflichtet. Und man darf davon ausgehen, dass die Komische Oper auch für ihn nur eine Durchgangsstation sein wird, so wie zuvor bei den Dirigenten Kirill Petrenko oder Vladimir Jurowski, die inzwischen international Karriere machen. Das aber ist Zukunftsmusik. Herzlich willkommen, Henrik Nanasi.

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