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Kultur: „Das Kulturforum ist eine Katastrophe“

Ende der Misere? Berlins Gemäldegalerie soll zur Museumsinsel umziehen. Gespräch mit Direktor Bernd Wolfgang Lindemann

Herr Lindemann, in dieser Woche wurde im Abgeordnetenhaus über den Umzug der Gemäldegalerie zur Museumsinsel diskutiert. Ist das Kulturforum abgemeldet?

Die Gemäldegalerie gehört auf die Museumsinsel. Das wird mit Fertigstellung der dortigen Häuser allen klar werden. Die Museumsinsel wird die frühen Kulturen bis ins 19. Jahrhundert präsentieren, irgendwann auch die außereuropäischen Kulturen. Dann wird niemand mehr das Fehlen der Malerei, des mitteleuropäischen Hauptmediums, begreifen.

Noch ist auf der Museumsinsel kein Platz für die Malerei. Wie sehen die Zukunftspläne aus und wie konkret sind sie?

Die Lösung ist die Erweiterung des Bodemuseums auf das Kasernenhofgelände jenseits des Kupfergrabens, zu den sogenannten Museumshöfen. Die Ergebnisse eines städtebaulichen Wettbewerbs wurden gerade vorgestellt. Ich habe bereits 1989/90 das Areal besichtigt und gemerkt, dass man dort das Fehlen des Nordflügels des Pergamonmuseums, der ursprünglich für die deutsche Malerei konzipiert war und dann von den archäologischen Sammlungen okkupiert wurde, kompensieren kann.

Das sind Zukunftsträume. Von Finanzierung ist noch keine Rede. Sie befinden sich in einer Zwickmühle: Einerseits zieht es Sie auf die Museumsinsel, andererseits haben Sie am Kulturforum vor nicht einmal zehn Jahren Ihren neuen Standort gefunden.

Ich bin in der Situation eines Hundes, der einen prächtigen Knochen im Maul hat, einen anderen sieht und den ersten verliert, weil er nach dem zweiten schnappt. Die Gemäldegalerie ist hier am Kulturforum, was das Gebäude betrifft, optimal untergebracht. Auch die Besucherzahlen sind nicht schlecht: Wir hatten 2004 über 300 000 Besucher. Die Gefahr besteht darin, dass wir den hiesigen Standort aufgeben müssten und dafür – solange nur das Bodemuseum zur Verfügung steht – keinen adäquaten Ersatz auf der Museumsinsel bekommen. Am Kulturforum zeigen wir 1500 Bilder; im Bodemuseum bekommen wir nur 400 Bilder unter. Auf diesen Zustand dürfen wir uns nicht einlassen, sonst taumeln wir in eines der für Berlin charakteristischen Provisorien, das möglicherweise über Generationen Bestand hat.

Wie würde sich die Gemäldegalerie denn an der Museumsinsel darstellen?

Wenn der Erweiterungsbau steht, werden wir im Bodemuseum einen Schwerpunkt in der Kunst des hohen Mittelalters und – bedingt durch die Räumlichkeiten der zentralen Basilika – in der italienischen Kunst der Renaissance haben. Im gegenüberliegenden Neubau ist dann der Platz für die altniederländische Kunst, die altdeutsche, flämische, holländische und englische.

Schon jetzt sollen im Bodemuseum Teile der Gemäldegalerie integriert werden. Wollen Sie damit – ähnlich wie die Nofretete für das künftige Ägyptische Museum auf der Museumsinsel wirbt – Appetit machen auf den neuen Standort?

So absurd es klingt: Dieses Gebäude, die Galerie am Kulturforum, ist für die Gemäldegalerie zu klein; die Planung stammt aus den Jahren vor 1989, als noch nicht abzusehen war, dass die damals in Ost-Berlin verbliebenen Bestände einmal zurückkommen würden. Eine ganze Reihe Bilder sind zudem zu großformatig für das Haus am Kulturforum. Im Bodemuseum gewinnen wir Ausstellungsfläche hinzu, wobei sich Bilder in die Skulpturensammlung einfügen.

Befinden Sie sich da nicht in Konkurrenz zu sich selbst? Die Museumsinsel gilt als schönstes Schaufenster Berlins: Gibt es nicht den Wunsch, die Ikonen schon jetzt umziehen zu lassen?

Dann nennen Sie mir doch einmal unsere Ikonen! Wir besitzen keine Starstücke wie der Louvre mit der Venus von Milo, der Mona Lisa oder der Nike von Samothrake. Wir hatten so etwas mit dem „Mann mit dem Goldhelm“, der seine magische Anziehungskraft verloren hat, weil er nicht mehr als Werk Rembrandts gilt und sich die Zeiten mystischer Kunstverehrung erledigt haben. Unsere Besucher laufen nicht spornstreichs auf ein bestimmtes Stück zu, sondern flanieren durch die Galerie und erfreuen sich an der enzyklopädischen Fülle. Wir versuchen beides: am Kulturforum den Durchgang durch die Sammlung und im Bodemuseum eine Präsenz mit bedeutenden Werken. Ich sehe da keine Konkurrenzsituation; ansonsten wäre die Museumsinsel insgesamt eine Konkurrenz.

Aber auf die Museumsinsel strömen die Besucher, die Ihnen hier fehlen. Mit zunehmender Fertigstellung verstärkt sich das.

Im Interesse der Staatlichen Museen freue ich mich über die Besucher eines jeden Hauses. Wir sind eine Familie von mehreren Museen, ein System kommunizierender Röhren: Wenn ein Haus großen Erfolg hat, trägt es ein anderes mit. Unsere Präsenz im Bodemuseum dürfte so manchen Besucher erst auf das Kulturforum aufmerksam machen.

Dennoch hat Generaldirektor Peter-Klaus Schuster in Interviews geäußert, dass das Bodemuseum als Standort „hinreichend“ für die Gemäldegalerie sei.

Herr Schuster ist einerseits der Generaldirektor und muss das Wohl sämtlicher Museen im Kopf haben, andererseits ist er Direktor der Neuen Nationalgalerie. Und die hat ein Riesenproblem. Das Haus kann seine Bestände seit Jahrzehnten nicht zeigen. In Berlin gibt es keinen Ort, wo die Bestände des 20. Jahrhunderts adäquat zu sehen sind. Der Umzug der Gemäldegalerie ins Bodemuseum plus Neubau ist ein Ei des Kolumbus, die optimale Lösung für drei Museen: für die Gemäldegalerie, die Skulpturensammlung und die Nationalgalerie. Im Endpunkt sind Schuster und ich einer Meinung; nur was die Geschwindigkeit der Schritte betrifft, gibt es Differenzen.

Noch bleiben Sie die nächsten Jahre am Kulturforum. Wie kann sich hier die Situation verbessern?

Das zentrale Problem ist das Aussehen des Kulturforums: Die Piazzetta muss deshalb umgestaltet werden. Finanziert werden soll das durch Bereitstellung von Flächen, die den Staatlichen Museen gehören. Investoren werden allerdings noch gesucht. Die zentrale Frage lautet: Wie funktioniert die Anbindung an die benachbarten Stadträume, an den Potsdamer Platz? Wir befinden uns hier in städtebaulichem Niemandsland. Mir ist unfassbar, dass bei den Planungen für den Potsdamer Platz nicht auch dafür eine Lösung verlangt wurde. Das Kulturforum ist ein Musterbeispiel für die katastrophale ästhetische Situation der Siebziger. Fast sollte man es als Abschreckungsbeispiel unter Denkmalschutz stellen.

Löst denn das Abtragen der Piazzetta die Probleme?

Es ist vor allem eine pragmatische Lösung. Man kann wenig daran ändern, dass das Areal von außen eher wie ein Kongresszentrum aussieht. Ich wünsche mir einen architektonischen Wettbewerb über die äußere Erscheinung des Gebäudes. Denn es ist kein Zufall, dass in der modernen Architektur Museumsbauten nach dem Prinzip größter Wirkmächtigkeit errichtet werden – denken Sie nur an Libeskinds Jüdisches Museum oder an Frank O. Gehrys Museumsbauten.

Warum wurde die Goya-Ausstellung nicht am Kulturforum gezeigt? Das hätte Zuschauermengen hierher gezogen.

Besuchermassen allein machen nicht glücklich. Ich freue mich über Besucher, die sich in Bilder vertiefen. Die Goya-Ausstellung war zudem eine Veranstaltung der Nationalgalerie, eine Antwort auf Leihgaben an den Prado: Goya gegen C. D. Friedrich. Außerdem werden die Ausstellungen der Nationalgalerie durch den potentesten Freundeskreis der Stadt unterstützt: die Freunde der Nationalgalerie. Da stehen ganz andere Mittel für Werbung zur Verfügung.

Heißt das, die Moderne hat die bessere Lobby in der Stadt?

Eventkultur und Moderne scheinen auf eine ideale Weise zusammenzupassen. Gehen Sie auf die Art Basel: eine Messe, die hohen Kultstatus als gesellschaftliches Event besitzt. Es gibt Dinge, die fügen sich geschmeidiger in die Event-Galoppade, andere bedürfen einer größeren Muße und finden dafür ihr Publikum. Die Schlange löst zwar finanzielle Probleme, ist aber kein alleiniges Qualitätsmerkmal. Sonst müsste Gunter von Hagens Leichenschau das bedeutendste Kulturereignis der letzten Jahre gewesen sein.

Das Gespräch führten Nicola Kuhn und Christina Tilmann

Seit Juni 2004 leitet Bernd Wolfgang Lindemann (54) die Berliner Gemäldegalerie, das Flaggschiff der Staatlichen Museen . Für den gebürtigen Kölner war das eine Wiederkehr, denn bis 1994 war er als Kustos an der Skulpturensammlung tätig, bevor das Kunstmuseum Basel den Experten für flämische Kunst rief. Schon damals kämpfte Lindemann vehement für eine Rückkehr auf die Museumsinsel, verließ aber Berlin, weil das Projekt unrealisierbar schien.

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