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Kultur: Das Leben ist eine Baustelle

Sagen wir es pathetisch: Man möchte Volker Schlöndorff lieben, zumindest heute, für den Geburtstagsgruß.Wenn einer 60 wird, dann möchte man - selbst dienstlich - aus vollem Herzen schreiben, möchte einmal warm und nicht nur bestenfalls wohltemperiert sein.

Sagen wir es pathetisch: Man möchte Volker Schlöndorff lieben, zumindest heute, für den Geburtstagsgruß.Wenn einer 60 wird, dann möchte man - selbst dienstlich - aus vollem Herzen schreiben, möchte einmal warm und nicht nur bestenfalls wohltemperiert sein.Ein paar fliegende Zeilen hinüber nach Babelsberg, wo Schlöndorff nicht nur vor Jahren Arbeit, sondern mittlerweile auch Wohnung genommen hat, ein aufgeräumtes Telegramm - und damit gut! Und doch werden die meisten medialen Glückwünsche heute wohl so anheben, wie es die Deutsche Presseagentur vor ein paar Tagen schon mal leitformulierte: "Volker Schlöndorff, einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Nachkriegsfilms mit internationalem Renommee, hat wohl wie kaum ein zweiter ..." Aufs Podest mit ihm, und nun ein Blick erstmals von fern, Blick zurück im Frieden, so werden wir tönen, Chapeau! Und alles doch nur, weil man Volker Schlöndorff nicht lieben kann.

Doch halb so schlimm.Er selbst, vermute ich mal, wird das so mögen.Hauptsache, das siebenjährige Töchterchen liebt einen, die Frau, ein paar Freunde.Ansonsten hat einer wie Schlöndorff die allerkindlichsten Geliebtwerden-Bedürfnisse schon früh einpanzern gelernt.Und der Welt ein Gesicht hingehalten, das sie annimmt, so merkwürdig wie sie ist, und doch auf Distanz hält.Selbstironie auch, das bleibt nicht aus nach Jahrzehnten Arbeit mit Hochs und Tiefs, mit Himmelhochjauchzen (Oscar-Triumph 1980 mit der "Blechtrommel") und Zutodebetrübt (Total-Flop mit dem "Unhold" 1996), ja, eine gewisse Lässigkeit, die doch dem Stolz und ein bißchen dem Eitlen noch Raum läßt.Feinsinnige Kritik von außen? "Ick bün all dor!" würde der kluge Igel zum Hasen sagen, wenn er nicht ausgerechnet in Wiesbaden geboren und - schon früh - in Frankreich sozialisiert worden wäre.So wird man unverwundbar, nun ja, fast - und steht doch mitten im Leben.

Logisch, daß einer wie Schlöndorff Widersprüche nicht überwindet, sondern aushält, dem Druck mit Gegendruck antwortet, den er nur manchmal listig auflöst in einem kühlen Lachen, und dann wird es für einen Augenblick sehr kühl.Manchmal auch sucht er sich fast lustvoll eine Schußlinie: Mal testen, was der Panzer abkann! So verwunderte es unlängst, ausgerechnet von Schlöndorff im "Spiegel" ein Plädoyer für den europäischen Autorenfilm zu lesen, einen passagenweise eher flammenden als flackernden Text, der sich ohne besonderen exegetischen Aufwand auch als antiamerikanisch lesen ließ.Nur: Hatte nicht eben jener Schlöndorff gerade mit dem mäßig erotischen, mäßig spannenden Erotik-Thriller "Palmetto" (mit Woody Harrelson und Elisabeth Shue) einen möglichst amerikanischen Film abgeliefert? "Schmutz und Schund", sagt Schlöndorff heute über seinen letzten Flop - und freut sich vielleicht, daß der Verleih seinen Namen auf den Plakaten damals so kleingedruckt hatte.

Wer ist Volker Schlöndorff? Der Mutter- und Vaterlose, der sich in Paris unter Louis Malle, Melville und Resnais in den Film stürzte? Der linke Deutsche, eine der politischen Gewissensadressen der siebziger Jahre, neben Böll und Grass, denen er mit der "Verlorenen Ehre der Katharina Blum" und der "Blechtrommel" seine größten Erfolge verdankte? Oder ist er dieser lockere Basecap-Typ, den sie drüben in Amerika, wo er später immer wieder mal arbeitete, "Wolker Schlonndorf" nennen? Oder der geschätzte, aber nur bedingt erfolgreiche Babelsberg-Manager, zuletzt eher honoris causa? Falls Sie hier wirklich die Antwort suchen: Er ist sie alle.Brüche, Abstürze, Neuanfänge, nur wenig, das bleibt.

Demnächst will Schlöndorff, lesen wir in der zitierten Agentur, zusammen mit Wolfgang Kohlhaase eine Ost-West-Geschichte drehen.Keine Literaturverfilmung, ausnahmsweise, sondern nach gemeinsamem Drehbuch.Auch danach werden wir, die Ferneren, die ihm schon manche Verletzung zugefügt haben, ihn vielleicht wieder nicht lieben, und vielleicht ist es dafür sowieso zu spät.Aber, seien wir ehrlich: Neugierig auf diesen Mann, der niemals fertiggeworden und fertig ist mit sich selbst und der Welt, sind wir immer noch.

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