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Kultur: Das Leid vom Lied

lässt sich nieder, wo gesungen wird Die Fachzeitschrift „Opernwelt“ schlug in ihrer Juli-Ausgabe Alarm. „Deutschland singt nicht mehr“, warnte das Magazin und beschrieb ein Volk ohne Lieder: Eine durch das Fernsehen geprägte Konsumhaltung habe das aktive Singen ersetzt, kaum ein Grundschulkind könne noch eine Melodie nachsingen, die Mehrzahl der Erwachsenen habe selbst die bekanntesten Volkslieder vergessen, die Mitgliederzahl der Laienchöre, vor allem der Männerchöre, nehme seit etlichen Jahren kontinuierlich ab.

lässt sich nieder, wo gesungen wird Die Fachzeitschrift „Opernwelt“ schlug in ihrer Juli-Ausgabe Alarm. „Deutschland singt nicht mehr“, warnte das Magazin und beschrieb ein Volk ohne Lieder: Eine durch das Fernsehen geprägte Konsumhaltung habe das aktive Singen ersetzt, kaum ein Grundschulkind könne noch eine Melodie nachsingen, die Mehrzahl der Erwachsenen habe selbst die bekanntesten Volkslieder vergessen, die Mitgliederzahl der Laienchöre, vor allem der Männerchöre, nehme seit etlichen Jahren kontinuierlich ab. Eine Tendenz, die sich auch im Konzertalltag spiegelt: Der klassische Liederabend ist zur Randerscheinung geworden. Wo niemand mehr „Das Heideröslein“ oder „Am Brunnen vor dem Tore“ kennt und singt, ist auch die Neugier nicht zu erwarten, diese Hits einmal von Profis zu hören. Mehr noch: Während noch vor fünfzig Jahren viele Komponisten durch ihre Lieder bekannt wurden, die das Interesse an den größeren Werken wecken konnten, ist der Anreiz, heute Lieder zu schreiben, weitaus geringer.

Dem Lied muss also geholfen werden, und in Deutschland ist kaum jemand so um die Weiterentwicklung dieser Kunstform bemüht wie Axel Bauni . Bereits zur Expo in Hannover organisierte der Pianist und Liedbegleiter ein Projekt, bei dem sich deutsche Lyriker und junge Komponisten zusammentaten, um gemeinsam neue Liederzyklen zu schaffen. Vor einem Jahr wurde er als Nachfolger von Aribert Reimann zum Professor für zeitgenössisches Lied an die Berliner Universität der Künste berufen und hat sich in dieser Funktion auch gleich etwas Besonderes einfallen lassen, um für seine Leidenschaft zu werben: Noch bis zum Mittwoch findet an der UdK das 1. Liedforum Berlin statt, auf dem sich Studenten und Dozenten deutscher Hochschulen über Fragen der Liedinterpretation austauschen – Schwerpunkt ist dabei natürlich das Klavierlied des 20. und 21. Jahrhunderts, Baunis Fachgebiet. Im Rahmen dieses Projekts, das in zweijährigem Turnus stattfinden soll, gibt es neben Workshops auch zwei öffentliche Konzerte im Konzertsaal Bundesallee der UdK: Ein Abschlusskonzert am Mittwoch sowie gleich heute um 12 und um 19 Uhr ein Programm, das sich schon im Titel selbstbewusst als Gegenveranstaltung zum Berlin-Marathon präsentiert. Während draußen die Massen durch die Stadt hetzen, starten Bauni und seine Freunde zu einem „Liedmarathon in zwei Teilen“, bei dem sich jede der sechs teilnehmenden Liedklassen mit einem etwa einstündigen Programm präsentiert.

Jörg Königsdorf

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