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Kultur: Das liebe Geld

Was passiert, wenn man plötzlich reich ist? Besuche bei Gewinnern von „Wer wird Millionär?“ – und eine Begegnung mit Moderator Günther Jauch.

Frau Grabherr sagt, sie habe dann doch keine größere Reise gemacht, „wegen dem Hund. Wenn wir mit dem Schiff oder dem Flugzeug weggefahren wären, wer hätte dann auf den Hund aufgepasst?“. Und sie sagt: „Mit meiner Schwiegermutter und ein paar anderen Leuten habe ich seit dem Gewinn keinen Kontakt mehr. Das war schon eine sehr schmerzliche Erfahrung.“ Zwei Zitate einer Millionärin. Wie klingt das? Vernünftig? Traurig? Vielleicht sogar ein wenig dramatisch? Was bedeutet der Hund?

Vor zwei Jahren hat Frau Grabherr die Million bei der Quiz-Sendung „Wer wird Millionär?“ gewonnen. Drei Menschen haben das bislang geschafft, knapp ein Dutzend hat 500 000 Euro gewonnen. Macht Geld glücklich? Wie hat sich das Leben der Gewinner verändert? Dies soll hier erzählt werden.

Beispielsweise Herr Horch. Er ist von Beruf Maschinenmonteur. Er ist ein bisschen übergewichtig und wirkt bodenständig , was auch daran liegt, dass er gegen Ende der Unterhaltung häufig auf die Uhr blickt, „Entschuldigung, aber ich muss los, ich will bei Freunden Fußballbundesliga schauen.“ Von Montag bis Freitag ist er unterwegs, nur das Wochenende verbringt er bei seiner Familie zu Hause in Aerzen, einer Kleinstadt in Westfalen. Das war alles auch schon so, bevor er die 500 000 Mark gewann. „Wie oft, meinen Sie, habe ich mich schon darüber geärgert, dass das damals noch keine Euro waren.“ Ein zweites Kind ist noch gekommen, „aber das hätten wir uns auch ohne das Geld geleistet. Das war nämlich so: Meine Frau kam vom Arzt und sagte, Du, ich bin schwanger, schon im fünften Monat.“ Irgendwie war das niemandem aufgefallen.

Alexandra Greinwald ist eine schmale, dunkelhaarige Frau, 40 Jahre alt. Sie lebt in München und hat gleich mehrere Berufe: Sängerin, Schauspielerin, Lehrerin. Durch den Gewinn, 500 000 Euro waren es bei ihr, habe sie Einblick bekommen in eine Welt, sagt sie, die ihr bislang völlig fremd gewesen sei, die Welt des Geldes. Ihr Bankbeamter sei plötzlich außerordentlich freundlich gewesen.

Frau Grabherr, die Millionärin mit dem Hund, hat sich ein Haus gebaut, „das ist schon was anderes, als immer zur Miete zu wohnen“. Sie ist 50 Jahre alt, verheiratet, hat keine Kinder. Ob sich seither in ihrer Ehe etwas verändert hat? Nee, lacht sie, „wir haben uns immer schon nur am Wochenende gesehen. Die Ehe ist so, wie sie vorher auch war.“ Ihr Hobby ist das Spielen. Sie spielt Skat, geht in die Spielbank. Vor zehn Jahren hatte sie in einem Preisausschreiben schon mal 12 000 Mark gewonnen .

Zu Lotterien haben Menschen die unterschiedlichsten Beziehungen. Ich beispielsweise bin aufgewachsen in einem kleinen Ort im Süden von München, einer dieser Flecken, der in dem dort üblichen Hang zur Übertreibung gerne als Prominentenort bezeichnet wird, unabhängig davon, wer da eigentlich wohnt. Rund 3000 Einwohner gab es da. Einer davon hatte eine besondere Geschichte. Er war mal ein einfacher Bauarbeiter gewesen, bis er eines Tages im Lotto gewann, ein paar hunderttausend Markt sollen es gewesen sein. Der Mann, er war um die 40, hörte auf zu arbeiten und baute für sich alleine ein Haus, zwischen den Häusern der Wohlhabenden. Nun ja, und dann, nach wenigen Jahren, gewann er noch Mal im Lotto, wieder sechs Richtige, wieder sehr viel Geld. Er gehörte zum Straßenbild unseres Dorfes, ein gehetzt wirkender Mann, meistens trug er einen Trenchcoat, immer ohne Begleitung. Warum hat ausgerechnet der so viel Glück? – auch diese Frage gehörte zu unserem Alltag. Er hatte nämlich nicht gerade einen Vorbildcharakter, er war immer betrunken, man erschrak, wenn er einem begegnete, schwankend und den Atem voll mit Alkohol. Er war das torkelnde Gespenst meiner Jugend. Das Glück hatte ihm kein Glück gebracht. Wie sein Leben wohl ohne diese Haupttreffer gelaufen wäre? Diese Frage hat nie jemanden beschäftigt.

Das Bild dieses Mannes hatte ich im Kopf, als ich nach Köln-Hürth fuhr, in dieses seltsame Gewerbegebiet, in dem so viele Fernsehfirmen ihr Quartier aufgeschlagen haben. In einer besonders trostlosen Straße entsteht „Wer wird Millionär?“. Hier wird viel Geld verdient und ausgegeben. Wenn man nun vor diesem TV-Container steht – was verbindet man mit dem Thema Geld? Geld verdirbt den Charakter? Geld regiert die Welt? Nein, eher: Monopoly, Spielgeld.

Drinnen im Häuschen beginnt bald die Aufzeichnung einer neuen Show. Die Millionärs-Kandidaten sitzen auf den Gängen und sind nervös. Als müssten sie zur mündlichen Abiturprüfung. Niemand kann durchfallen, aber jeder kann sich vor einem Millionenpublikum lächerlich machen. Was sie denn anstellen würden mit dem großen Hauptgewinn, rein theoretisch? Viel Achselzucken, viel Gestottere, viel Vernunft („Ich glaube, ich würde das Geld anlegen“). Schon das Wildeste sagt eine ältere Frau aus Bayern mit tief roten Backen, nachdem sie erst einen langen Seufzer ausstieß: „I würd ois den Kindern geben“. Auch der Kandidat Klaus Nothnagel, ein Berliner Journalist, ist dabei. Er weiß noch nicht, dass er sich gleich in der ersten Runde durchsetzen wird.

Traurige Tropen

Warum geht man eigentlich immer davon aus, dass solche Siegergeschichten eher schlecht ausgehen? Dass Menschen das viele Geld nicht verkraften? Wäre man nicht fast ein wenig überrascht, wenn sich herausstellen würde, die Leute haben ganz tolle Sachen gemacht mit ihrem Geld?

Es ist später Nachmittag. Günther Jauch sitzt in seiner Garderobe. Er muss sich umziehen, wird noch ein bisschen gepudert und geschminkt, was eben so passiert, wenn einer gleich vor die Kamera muss. Zwei Sendungen werden aufgezeichnet, zu jeder trägt er einen anderen Anzug, die braunen Schuhe passen zu beiden. Er moderiert ein paar hundert Sendungen im Jahr, der Alltag im Studio ist ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen.

„Was glauben Sie, Herr Jauch, ist Geld eher ein Freund oder eher ein Feind?“

Er lässt die Frage erst Mal unbeantwortet und erzählt, wie vorsichtig er immer mit Geld war. Er habe versucht, nach der Devise zu leben: Die Hälfte der Einkünfte wird gespart. Nach der Journalistenschule in München wurde er Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, stieg dort schnell zum Radiostar auf. Jauch sagt, er habe damals knapp 6000 Mark brutto verdient, für einen wie ihn nicht gerade viel. Andererseits hatte er damit eine bombensichere Anstellung, was für einen Sparsamen und Vernünftigen ja auch durchaus einen Reiz hat. Was also tun: Kündigen und frei arbeiten, mit kurzfristiger Aussicht auf viel Geld, oder stabiler Redakteur bleiben?

Wie er da in der Garderobe so vor einem steht, mitten beim Umziehen, Jeans, nackter Oberkörper, ohne jede Allüren: Wenn er auf dem anderen Weg geblieben wäre, des etwas schattigeren Lebens einer Redakteurskarriere, stünde da heute ein ganz anderer? Klar stünde da ein anderer: Die Villa in Potsdam, sein Reichtum, seine Macht, die Spenden, der Alltag im Scheinwerferlicht, all das hat ihn längst geprägt. Und natürlich war es im Grunde auch nie eine wirkliche Alternative, sich gegen die Chancen zu entscheiden, weil einfach immer wieder neue kamen. Die große Bühne wollte Jauch und umgekehrt.

An seine erste Million, sagt er, könne er sich noch genau erinnern, „nicht als Kontostand, sondern als Helmut Thoma mir ein Angebot machte“. Für seinen Job bei „Stern TV“ wurde ihm eine Million Mark Jahresgehalt vom damaligen RTL-Chef zugesagt, „dies war für mich damals so unvorstellbar: eine Million. Ich überlegte, wie lange ich arbeiten muss, nach den Abzügen, den Steuern, bis ich sie habe.“ Heute, sagt Jauch, könne er nicht genau sagen, wie viel Geld er habe.

Seinen wachsenden Reichtum begleitete von Anfang an „die Angst, faul zu werden, träge, davor habe ich einen totalen Horror“. Er kenne Leute, die sich auf Mallorca zur Ruhe gesetzt haben, „die schwärmen von ihrem entspannten Leben. Ich frage dann, was macht ihr denn den ganzen Tag. Ach, sagen sie dann, man trifft Freunde, macht mittags schon mal einen Rotwein auf.“ Jauch verzieht das Gesicht, „nein das wäre nichts für mich, gar nichts“. Er arbeitet von Jahr zu Jahr immer noch mehr. Er sagt, er sei ein „sehr schlechter Genießer“. In diesem Sommer verbrachte er mit Frau und Kindern zum ersten Mal seit vielen Jahren einen dreiwöchigen Urlaub, „sonst waren es nie mehr als fünf Tage“.

Frau Grabherr, Frau Greinwald und Herr Horch begegneten Günther Jauch nur ein einziges Mal, bei ihren jeweiligen Sendungen. Er wollte wissen, ob sie wissen, ob es im Buddhismus Schutzengel gibt, wer von den Bee-Gees-Brüdern Zwillinge sind und wie das Expeditionsschiff von Charles Darwin hieß. Solche Dinge. Und natürlich waren die Drei vorbereitet. Wochenlang, erzählt Frau Grabherr, habe sie nichts anderes getan, als Atlanten und Lexika zu wälzen, um sich immer noch eine Jahreszahl und noch einen Flusslauf einzuprägen. Herr Horch sagt, er habe „praktisch alle tausend Fragen aus dem Spiel Trivial Pursuit auswenig gekonnt“.

Martin Horch, der Maschinenmonteur, hatte am Tag der Sendung 32 Jahre Leben hinter sich. Zu Hause in Aerzen gab es außer einer großen Maschinenfabrik nicht viele Berufsaussichten. „Schon als Kind und Jugendlicher habe ich immer den Satz gehört: Wer in dieser Fabrik einen Job bekommt, der zieht das große Los, das ist wie ein Sechser im Lotto. Na, und dann bekam ich den Job.“ Der gelernte Schlosser geht für seine Firma auf Montage, fünf Tage in der Woche ist er unterwegs, meist in Deutschland, manchmal auch im Ausland, etwa in Finnland. Er wartet und montiert riesige Maschinen, so genannte Druckkolbengebläse, „die braucht man in Häfen und auch in großen Klärwerken. Ich habe ganz kurz nach dem Gewinn überlegt, ob ich aufhören soll. Dann hätte ich eine Kneipe aufgemacht, so im irischen Stil, nett, gemütlich. Aber, nein, zu riskant."

Horch sagt, „ich bestehe aus zwei verschiedenen Seiten“: Zum einen sei er leichtsinnig, fast verschwenderisch, einer, der viel erleben möchte, ein Globetrotter. Diese Seite hat noch am Abend des Sieges seinen besten Freund angerufen und mit ihm ausgemacht, für ein paar Wochen in den brasilianischen Regenwald zu fahren. „Das haben wir dann auch gemacht, es war großartig.“ Zum anderen hat er früh seine Frau kennen gelernt. Die beiden Kinder, das Wochenendleben mit Freunden und Familie, die Heimat. Diese Seite hat sich vom Gewinn ein Haus gebaut, nur ein paar Straßen entfernt von der alten Mietwohnung. Kurz vor unserem Gespräch war er noch auf dem Dach, es musste winterfest gemacht werden.

Martin Horch ist ein vernünftiger Mann. Wenn er unterwges auf Montage ist, informiert er sich, welche Museen in der Gegend sind, „damit ich was Sinnvolles in meiner freien Zeit tue“. Was hätte passieren müssen, damit der Gewinn die Waagschale zugunsten des leichtsinnigen Herrn Horch verändert? Die Kinder, die Familie, antwortet er, da verbiete man sich Abenteuer. Hat der Halbmillionengewinn gar nichts erschüttert? Nein, sagt er und erzählt die Geschichte seines Vaters. Vor ein paar Monaten fiel der plötzlich um, Herzinfarkt, tot. Nie hatte er was am Herzen gehabt, noch nicht mal 60 Jahre alt, „das hat mich verändert.“

Alexandra Greinwald sitzt in ihrer Küche in München, trinkt grünen Tee und erzählt von ihrem Lebensweg. Musikalisches Gymnasium, Musikstudium in Bregenz. Später nahm sie Gesangsunterricht, dann Schauspielunterricht. Sie spielt Theater und singt in einer Band, arbeitet auch als Personaltrainerin in der Wirtschaft. „Mich interessiert sehr viel und ich genieße es, wenn ich mich nicht festlegen muss. Mein Problem ist vielleicht, dass ich keinen besonderen Ehrgeiz habe.“ Sie erzählt auch vom frühen Tod ihres Bruders, Verkehrsunfall, und dass es ihr danach eine lange Zeit sehr schlecht ging.

Ihr Mann löste manchmal im Internet zum Zeitvertreib die Fragen von der Millionärssendung, und wenn er sie was fragte, wusste sie es meistens. Also rief sie mal an bei der Hotline, eher zufällig, kam gleich durch, konnte die Quiz-Fragen beantworten – und einige Wochen später wurde sie nach Köln eingeladen. Mit den Einnahmen aus diesen Telefongesprächen kann RTL übrigens die gesamten Preisgelder finanzieren. So viele rufen da an.

Nach dem Gewinn der 500 000 Euro rutschte sie draußen vor dem Container auf dem Parkplatz aus, „ich dachte sofort, Mensch, pass auf, dein Glückskonto ist jetzt erfüllt“. Seither hat sie sich ein paar neue Schuhe gekauft, einen Computer, ein Auto, eine neue Küche. Sie macht nochmal eine neue Ausbildung, diesmal zur Theaterpädagogin. Und dann war noch der Moment, vielleicht der wichtigste, als sie überlegte, ob sie die CD ihrer Band selbst finanzieren solle. „Wir haben lange einen Finanzier gesucht. Jetzt hätte ich es machen können. Aber plötzlich dachte ich, nun wird es gefährlich, du veränderst die Wirklichkeit, nur weil du Geld hast. Das wollte ich nicht. Wenn jemand unsere Musik mag, kommt auch irgendwann ein Produzent.“ Nein, sagt Alexandra Greinwald, „Geld muss leicht bleiben, man darf es nicht zu nahe an die Seele kommen lassen“.

Ihr Mann kommt in die Küche, Typ Bär, Beruf Musikveranstalter. Wenn man so will, ist er schuld, dass sie nur 500 000 und keine Million gewonnen hat. Denn er war ihr Telefonjoker, und sie rief ihn bei der letzten Frage an, ob er wisse, ob der Klunkerkranich ein echter Vogel sei. Der Ehemann sagt, vor der Sendung hätten sie hin und her überlegt, wer der bessere Joker sei, er oder ein Arbeitskollege. Nun, der Kollege hätte es gewusst. Der war nämlich früher Tierpräparator und hatte den Klunkerkranich schon in den Händen gehabt. Der Bär und seine schmale Frau müssen sehr lachen, als sie das erzählen.

Marlene Grabherr, die Hausfrau und arbeitslose Bürokauffrau mit Hund, war damals die „dicke Millionärin“, so lautete ihre Schlagzeile. Sie hat sich einen Alfa Romeo gekauft und dann noch einen, den neueren. Sie hat sich und ihrem Mann ein Häuschen gebaut, ein paar Straßen neben der alten Mietwohnung. Und sonst? Na, Ärger gab es mit der Verwandtschaft, mit der Familie ihres Mannes hat sie keinen Kontakt mehr. Um was es genau ging, sagt sie nicht, aber mit dem Geld hatte es zu tun, klar. „Die waren schon vor der Sendung komisch. Was willste denn da, sagten sie. Die haben mir nichts zugetraut. Na ja.“ Und dann, erzählt sie, bekam sie viele Bettelbriefe, die sie alle unbeantwortet ließ, natürlich. Einer wurde frech und drohte, „kannst dir deinen Sarg von innen anschauen, wenn du nicht zahlst.“ Hat sie die Polizei benachrichtigt? Ach was.

Wir sprechen am Telefon. War der Ärger insgesamt arg? Nein, nein, ruft Frau Grabherr. Sie habe sich schon wieder bei den anderen TV-Quizshows beworben, „ich mache da sofort wieder mit, nicht nur wegen dem Geld, es war insgesamt so ein Triumph.“ Wissen Sie, sagt sie, sie sei ja lange arbeitslos gewesen, „wer braucht schon eine 50-jährige Bürokauffrau?“. Heute sucht sie keinen Job mehr, heute spendet sie für den Tierschutzverein. Und sonst? Im Grunde sei alles wie immer. „Na ja, die Spielbank macht mir jetzt nicht mehr so viel Spaß. Ich glaube, man wird geizig, wenn man Geld hat.“

Wenn die Gier siegt

Köln-Hürth, Günther Jauch hat sich umgezogen, gleich beginnt die Sendung. Noch mal die Frage an ihn: „Ist Geld Feind oder Freund?“. Jauch sagt, eher ein Freund, weil finanzielle Schwierigkeiten für die Betroffenen sehr quälend sein können. Aber dann sagt er auch, in Deutschland habe die Gesellschaft irgendwie beschlossen, dass Menschen, die viel Geld haben, erfolgreich sind und einigermaßen aussehen, keine Probleme haben dürfen. „Sehen Sie, wenn ich irgendein Problem hätte, unglücklich wäre, ich könnte es nie darstellen. Keine Chance. Das andere Bild ist zu stark. Ich beklage das nicht. So ist es eben.“

Die Sendung läuft. Der Kandidat Klaus Nothnagel, der Berliner Journalist, sitzt auf dem Stuhl. Er kommt schnell voran bis zur 8 000-Euro Frage: Aus was besteht die Luft zu 78 Prozent? Er schwankt zwischen zwei Antworten, Sauerstoff oder Stickstoff. Er könnte das Publikum fragen, seinen Joker anrufen. Er sagt: Sauerstoff. Es ist Stickstoff. Vorbei, zurückgefallen auf 500 Euro. Später sagt Nothnagel, am meisten habe ihn geärgert, „dass mich auf diesem Stuhl die Gier befallen hat. Ich wollte das große Geld und habe dabei kurz den Verstand verloren.“ Was er mit einem Gewinn gemacht hätte? Na ja, meint er, „ich habe gerade meinen Job verloren. Da wäre mir für meine Familie und mich schon was eingefallen“.

Vor dieser Recherche hatte ich das Bild im Kopf von dem betrunkenen Millionär meiner Kindheit. Jetzt ist ein anderes Gefühl hinzugekommen. Sicher, Geld beruhigt, Geld kauft schöne Sachen, Geld engt ein, stempelt ab. Aber wirklich verändern tut es nichts. Menschen korrigieren ihren eingeschlagenen Weg nur höchst ungerne. Der Geldregen, als würde Wasser auf einer heißen Herdplatte zerplatzen.

Auf Seite S5 lesen Sie Roger Boyes’ Reportage – über das böse Geld.

Stephan Lebert

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