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Kultur: Das Literaturhaus beschließt seine Ausstellungsreihe

Der exzellente Ruf des Deutschen Literaturarchivs Marbach rührt nicht etwa von den Manuskriptschätzen her, die in den Archiven lagern. Er gründet sich vielmehr auf die Lust der Archivare, in regelmäßigen Abständen vor die Öffentlichkeit zu treten und Kuriosa und Reliquien der Literaturgeschichte zu präsentieren.

Der exzellente Ruf des Deutschen Literaturarchivs Marbach rührt nicht etwa von den Manuskriptschätzen her, die in den Archiven lagern. Er gründet sich vielmehr auf die Lust der Archivare, in regelmäßigen Abständen vor die Öffentlichkeit zu treten und Kuriosa und Reliquien der Literaturgeschichte zu präsentieren.

Das vorerst letzte Ergebnis solch inspirierten Herbarisierens ist eine Ausstellung, die gestern im Literaturhaus eröffnet wurde. Unter dem sperrigen Titel "Aus der Hand oder Was mit den Büchern geschieht" lenken Reinhard Tgahrt, Helmuth Mojem und Ulrike Weiß den Blick auf Verlagsankündigungen, Anzeigen, Banderolen, Illustrationen, Motti, Widmungen, Vorreden, Zueignungen, Druckfehlerlisten. Man könnte von den Geburtsmalen der Manuskripte sprechen, die sie auf dem Weg vom Schreibtisch in die Öffentlichkeit erlangen.

"Aus der Hand" aber heißt meist nicht: Aus dem Sinn. Franz Kafka, der Schrecken aller Setzer, die nur eine Korrektur, aber keine neue Geschichte erhofften, fehlt leider in der Ausstellung. Dafür ist Jean Paul vertreten, der seine Auffassung "Das Bessermachen eines Buches endigt gar nie" bekräftigt hat, indem er ein Druckfehlerverzeichnis zum Buch machte: "Ergänzblatt zur Levana. Zweyte, verbesserte und mit neuen Druckfehlern vermehrte Auflage". Solche ergötzlichen Funde vornehmlich vom Ende des 18. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts sind in fast jeder Vitrine zu machen. Die Marbacher Büchernarren breiten ihre Schätze hingerissen wie Sammler aus und wissen zu jedem einzelnen Stück eine Geschichte: Der Zensur wegen ersetzt Grabbe etwa die unzüchtigen Kondome in seinem Lustspiel "Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" durch die Memoiren Casanovas. Die recht philologische Sublimation wird allerdings durch einen Wissenschaftlerscherz durchkreuzt: Neben dem Grabbe-Band ist ein Kondom aus dem 19. Jahrhundert platziert, ein versteinert wirkender Lusthaken, der einem kleinen Nashorn wohl anstünde.

Aber das sind Petitessen angesichts einer opulenten Schau, die schon in Marbach und Weimar das Bücken reich belohnte. Mit ihr endet leider die sechsteilige Reihe "Vom Schreiben". Hoffentlich gilt sie nicht bald als Zeugnis der vermeintlich saturierten 90er Jahre - dann, wenn das Berliner Kinder- und Jugendliteraturzentrum Lesart und die Pankower Literaturwerkstatt ihre Häuser verloren haben und auf der Straße sitzen. Dem Literaturhaus fehlte zum ersten Mal das Geld, um ein Plakat für "Aus der Hand" drucken zu lassen. Keine Werbung also - das ist entweder ein distinguiertes Menetekel oder ein solidarischer Akt oder beides. Herr Stölzl, geben sie nichts aus der Hand!Bis 4.6. täglich außer dienstags 11 - 19 Uhr. Katalog 26,- DM.

Jörg Plath

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