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Kultur: Das Narrenschiff

Zaubertheater: Karoline Gruber inszeniert in Leipzig „Ariadne auf Naxos“ von Strauss

Das Haus des reichsten Mannes in Wien, „wohlausgestattet“ wie es heißt, verfügt heutzutage über eine Tiefgarage. Hier trudeln sie ein, die beiden Völkchen der Seria- und der Buffa-Szene, um mit ihrer vermischten Kunst aufzusteigen in ein Zauberreich der Sterne: vergänglich, opalisierend wie die Seifenblasen, die zerplatzen. Aber es gelingt der Regisseurin Karoline Gruber zu zeigen, wie schön der Augenblick sein kann, wenn aus Klassik und Entertainment Zaubertheater wird. Am Anfang steht ein kleines Chaos, und es geht in „Ariadne auf Naxos“ darum, aus dem Chaos Neues zu schaffen.

Die Oper Leipzig scheint ihrem eigenen Chaos gerade hoffnungsvoll zu entkommen, da Intendant Henri Maier und nun auch Riccardo Chailly, ein GMD der rar bemessenen Chefvisiten, nicht mehr dazugehören. Maier bezieht sein Gehalt weiter bis anno 2011. Das Fazit heißt: sparen. Zeichen hat der kommissarische Intendant Alexander von Maravic schon gesetzt: die Berufung Peter Konwitschnys zum Chefregisseur und nun diese neue „Ariadne“ anstelle eines überteuerten Rossini. Lawrence Foster, als Dirigent der Belcantooper vorgesehen, hat das Kammerspiel übernommen, in dem es ja auch um Kunst in ihrem Umfeld geht. Foster ist über seinen Lehrer Karl Böhm quasi Enkelschüler von Richard Strauss. Das bestimmt seinen kundigen Umgang mit der Musik des Garmischer Meisters. Und die Kammerbesetzung des Gewandhausorchesters treibt die Harmonien voran, definiert mit feinen Soli die Mittel des 20. Jahrhunderts, die Strauss in seine Huldigung an Mozart und Haydn mischt.

„Musik ist eine heilige Kunst“: Im Mittelpunkt des „Vorspiels“ zu „Ariadne“ steht, laut Textdichter Hofmannsthal, der junge Komponist: „Verliebter, Genarrter, Kind.“ Obwohl dieser Jüngling verzweifelt ist über den Befehl seines Auftraggebers, die Tanzmaskerade um „die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber“ gleichzeitig mit der heroischen Oper „Ariadne“ zu servieren, jubelt aus ihm diese weite Melodie: heilige Musik. Es exponiert sich hier ein Ideal des Erhabenen, das der kleine Komponist mit dem großen Richard Strauss teilt. Derweil kassiert der Musiklehrer (Tuomas Pursio) das lebensnotwendige Honorar.

Grubers Inszenierung zeichnet sich dadurch aus, dass sie jene „fast trunkene Feierlichkeit“ respektiert und mit leichter Hand die Ebene der Unterhaltung eingliedert. Die Komödianten um den Harlekin (Paul Armin Edelmann) sind eine recht aggressive Boy Group (Pop-Kostüme: Michaela Barth), bis sie die Sorgen des Komponisten und die der Ariadne mit ihrer Todessehnsucht mitfühlen. Teilnahme, Anteilnahme könnte als Motto der Regie gelten. So kniet sich der Haushofmeister des Schauspielers Friedhelm Eberle förmlich in den (eigentlich kalten) Text hinein, berührt durch den Komponisten, krass amüsiert von dem, was sein gnädiger Herr sich für den Theaterabend vorstellt. Der Haushofmeister hütet die Partitur, und der Komponist erlebt (numehr stumm) die Aufführung seiner Oper im Salon (Bühne: Roy Spahn) nach der Mahlzeit. „Ariadne wartet“ – sehnsuchtsvoll wendet sich die Sängerin dem Modell eines klassischen Dionysosschiffes zu, und man spürt eine Vorahnung des später erscheinenden Gottes. So weiß Gruber mit Requisiten Akzente zu setzen, die den Text reflektieren: der Brautschleier als Totenkleid, bevor Bacchus (Wolfgang Schwaninger) die Trauer beendet. Mit der Polka kippt die Tragödie elegant ins Varieté, die Nymphen als Show-Engel mit Glühlampen an den Flügeln vermitteln, aus Zerbinetta wird Sissi, und die wandelbaren Zuschauer zeigen sich jedem Spektakel sofort zugetan. Drei hervorragende Soprane tragen die Interpretation. Zu Dara Hobbs in der Titelpartie und Olesya Golovneva (eine mutige Zerbinetta) kommt als Komponist Gabriela Scherer, die nach dem „Vorspiel“ in der Rolle des beobachtenden Opernschöpfers schauspielerisch für sich einnimmt.

Abgestoßen und eifersüchtig angezogen von der listigen Komödie in seiner eigenen Opera seria empfängt der junge Komponist durch das Mädchen Zerbinetta der Liebe ersten Kuss.

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