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Kultur: Das Neue Testament für Wein-Investoren entpuppt sich als fragwürdiger Wälzer

Das Papier des Buchs ähnelt jenem, auf dem Bibeln gedruckt werden. Diese Assoziation dürfte Verlag wie Autor nicht unangenehm sein, und praktisch ist es auch, denn so ist die Neuauflage von "Parkers Weinguide" trotz ihres gewaltigen Umfangs von 2000 Seiten nicht einmal sieben Zentimeter dick.

Das Papier des Buchs ähnelt jenem, auf dem Bibeln gedruckt werden. Diese Assoziation dürfte Verlag wie Autor nicht unangenehm sein, und praktisch ist es auch, denn so ist die Neuauflage von "Parkers Weinguide" trotz ihres gewaltigen Umfangs von 2000 Seiten nicht einmal sieben Zentimeter dick. Das soeben erschienene Buch (Heyne, 148 Mark) enthält Verkostungsnotizen, Informationen und Urteile über Weine aus der ganzen Welt. Wie immer stehen Bordeaux und Burgund im Vordergrund, aber auch die Kapitel über Italien und Kalifornien sind sehr umfangreich. Man wird es einem Amerikaner nicht übelnehmen können, dass er allein über die Weine von Beringer aus dem Napa Valley mehr zu schreiben weiß als über Österreich und Deutschland zusammengenommen; dennoch belegt der Text über Deutschland vor allem, dass die Vorurteile über Parkers einseitigen und ziemlich extremen Geschmack berechtigt sind.

Über die hiesigen Spätburgunder schreibt er beispielsweise, die deutsche Pinot-Noir-Traube bringe einen "grotesken und ziemlich scheußlichen Wein" hervor. Offenbar hat er seit einem Jahrzehnt keinen mehr probiert - konsequenterweise sind die Rotweinspezialisten Paul Fürst und Werner Meyer-Näkel in der grausam verhauenen Liste der besten deutschen Erzeuger nicht einmal erwähnt. Offenbar hält das deutsche Lektorat von diesem Text auch nichts, denn die Liste enthält mehr als ein Dutzend Schreibfehler, die offenbar am Computer entstanden sind: Aus von Hövel wird "von Hoauvel", aus Grönesteyn "Grönestegn", Werlé heißt "Werleaa". Der Österreich-Teil ist dagegen weitgehend fehlerfrei: Er besteht aus einer Hymne auf 27 Trockenbeerenauslesen von Alois Kracher.

Der Frankreich-Teil ist vergleichsweise gut nutzbar, sofern man die Vorliebe des Autors für Trinkmarmelade im Auge behält und die Litanei der Verkostungsnotizen erträgt. Viele hochgelobte Weine sind freilich unbezahlbar oder überhaupt nur in winzigen Mengen für Kritiker produziert worden, womit der tatsächliche Nutzwert des Buchs sehr unter den Erwartungen bleibt, die der Umfang weckt. Amateure sollten deshalb fürs Geld lieber Wein kaufen; Profis müssen selbst wissen, ob sie Parkers gesammelte Erkenntnisse brauchen oder nicht. Investoren haben das Buch sowieso schon längst.

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