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Kultur: "Das Publikum ist nicht reif für atonale Musik"

Es ist durchaus als Signal an die Berliner Kulturpolitik zu verstehen, wenn das Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) heute abend im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt unter der Leitung von Eliahu Inbal in die neue Saison startet.Nach dem Abschied von seinem Chefdirigenten Michael Sch²nwandt im Juli steht das Orchester ohne künstlerischen Leiter da.

Es ist durchaus als Signal an die Berliner Kulturpolitik zu verstehen, wenn das Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) heute abend im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt unter der Leitung von Eliahu Inbal in die neue Saison startet.Nach dem Abschied von seinem Chefdirigenten Michael Sch²nwandt im Juli steht das Orchester ohne künstlerischen Leiter da.Solange der Plan des Berliner Kultursenators Peter Radunski zur Debatte stand, aus Kostengründen das BSO und das Orchester der Komischen Oper zu fusionieren, durfte das BSO keine Vertragsverhandlungen mit möglichen Nachfolgern führen - was die Musiker jedoch nicht davon abhielt, einen Wunschkandidaten zu benennen: Eliahu Inbal.Nachdem die Fusionspläne durch orchesterinterne Einsparungen inzwischen vom Tisch sind, verhandelt Inbal nunmehr mit Kulturstaatssekretär Lutz von Pufendorf.Mit dem Dirigenten sprach Frederik Hanssen.

TAGESSPIEGEL: Sie dirigieren heute ein äußerst konventionelles Programm mit Mendelssohn, Brahms, Beethoven.Ist das programmatisch zu verstehen?

INBAL: Wenn wir ehrlich sind, dann bleibt doch das große sinfonische Repertoire immer dasselbe.

TAGESSPIEGEL: Die meisten Abonnenten freuen sich natürlich, wenn sie auf Altbekanntes treffen ...

INBAL: Man muß den Geschmack der Abonnenten respektieren.Oder wollen Sie das Publikum zwingen, sich Sachen anzuhören, die es nicht hören will? Ich kenne viele Anwälte und Ärzte, die gehen nicht mehr ins Konzert, weil sie da Werke anhören müssen, bei denen sie sich wie Idioten fühlen.Da werden sie aggressiv.Für jene, die so etwas hören wollen, kann man ja Extra-Konzertreihen für zeitgenössische Musik einrichten.

TAGESSPIEGEL: Aber sollte es nicht gerade die Aufgabe staatlich subventionierter Orchester sein, mehr anzubieten als nur die Highlights?

INBAL: Sehen Sie, in Madrid beispielsweise ist es einem Dirigentenkollegen gelungen, das gesamte, bis dahin immer treue Abonnentenpublikum zu vertreiben, weil er fast nur avantgardistische Programme spielen ließ.Die Frage, wie oft Zeitgenössisches gespielt wird, entscheiden die Konzertbesucher.Warum spielen wir denn Schostakowitsch, Prokofjew, Debussy? Die haben die Leute akzeptiert.Ich sage das ohne den Unterton eines Vorwurfs: Das Publikum ist nicht reif für atonale Musik.

TAGESSPIEGEL: Wenn Sie tatsächlich Chefdirigent des BSO werden sollen, was haben Sie mit dem Orchester vor?

INBAL: Das Orchester soll unter meiner Leitung auf höchstes internationales Niveau gebracht werden.Anders als einer meiner Kollegen hier in Berlin, der behauptet, er habe dieses Niveau mit seinem Orchester schon erreicht, bin ich stets der Meinung gewesen, daß nach oben immer noch Platz ist.

TAGESSPIEGEL: Sie wissen, daß in der Berliner Kulturszene derzeit fast mehr über Geld als über Kunst gesprochen wird.Wie weit wären Sie bereit, um das BSO zu kämpfen, falls das Orchester in finanzielle Bedrängnis gerät oder gar von der Abwicklung bedroht wäre?

INBAL: Wissen Sie, ich kann mich kaum vor Angeboten zu dirigieren retten.Als Chefdirigent des BSO stünde ich deshalb vor dem Jahr 2002 ohnehin nicht voll zur Verfügung.Aber ich werde den Job hier nur annehmen, wenn auch die finanziellen Voraussetzungen für eine konzentrierte künstlerische Arbeit stimmen.Historisch hat sich übrigens gezeigt, daß Phasen der Sparsamkeit immer am Anfang eines Aufschwungs standen.

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