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Kultur: Das schöne Monster

Heute eröffnet die Messe. Mit 119 Galerien aus 20 Ländern hat sie ihr Profil geschärft

Das Art Forum Berlin steht in seinem neunten Jahr besser da als je zuvor. Nicht nur, dass zahlreiche der wichtigen Sammler für zeitgenössische Kunst ihre Anreise angekündigt haben, endlich glänzt zur Kunstmesse ganz Berlin mit hochkarätigen Ausstellungs- und Galerieeröffnungen, Parallelmessen und Diskussionsveranstaltungen. Und die Messe hat als Herzstück des Kunstherbstes nach dem letztjährigen Umzug in die Ermisch-Hallen auf dem Berliner Messegelände und einer Reduktion auf rund 120 Galerien den richtigen Ort und das richtige Format gefunden – und mit der Sonderausstellung „Made in Berlin“ eine neue Attraktion. Der herrschende Optimismus rund um die Messe ist allenfalls mit dem Debüt 1996 zu vergleichen, als der Hamburger Bahnhof eröffnete und sich mit Jay Jopling, Lisson, Anthony d’Offay oder Mai 36 internationale Schwergewichte rund um die Initiatoren der Messe aus dem Rheinland versammelten.

Nun wohnt jedem Anfang ein Zauber inne. Und gerade Kunstmessen brauchen einen langen Atem, sind sie doch sensible Patienten, deren Entwicklung sich oft erst nach Jahren einschätzen lässt. Das Art Forum hat in der Vergangenheit viele Attacken hinnehmen müssen. Mehrere Führungswechsel gehören dazu und zahlreiche Rückzüge: der Gesellschafter, internationaler Galeriegrößen und des Hauptsponsors, der Berliner Bankgesellschaft. Spätestens im letzten Jahr stand die Berliner Kunstmesse dann am Scheideweg, als selbst viele der führenden Berliner Galerien der fast zeitgleich stattfindenden Londoner Frieze den Vorzug gaben und sich nicht mehr an der Messe in der eigenen Stadt beteiligten.

In diesem Jahr sind sie nun wieder zurück. Ein knappes Drittel machen die Berliner Galerien aus, zu denen mit Kicken Berlin, Thomas Schulte, Christian Nagel oder Barbara Weiss auch Aussteller der ersten Stunde zählen. Neben den Lokalmatadoren haben sich einflussreiche Händler für die Rückkehr an die Spree entschieden – wie die Galerien Meyer Riegger aus Karlsruhe und Michael Neff aus Frankfurt, der Fotoarbeiten von Paola Pivi zeigt. Und auch für Marktgrößen wie Thaddaeus Ropac hat sich die Teilnahme im letzten Jahr offenbar gelohnt: Parallel zur Ausstellung in der Deutschen Guggenheim präsentiert die Salzburger Galerie auf dem Art Forum Werke von Robert Mapplethorpe.

Für Rückenwind aus der eigenen Stadt sorgen nicht nur Ausstellungen wie Sophie Calle oder Francis Alys im Martin Gropius Bau, „Black Atlantic“ im Haus der Kulturen der Welt und die Eröffnung der Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof. Endlich ist auch ein anderer Knoten geplatzt: Schirmherr Klaus Wowereit unterstützt die Messe bei der Sponsorensuche. Und das „Projekt Zukunft“, eine Initiative des Landes Berlin, stiftete Preisgelder, mit denen Messestände honoriert werden können.

Vor allem aber hat ein boomender Kunstmarkt die Messe beflügelt. Die rasanten Erfolgsgeschichten von Künstlern wie Neo Rauch, Daniel Richter oder Jonathan Meese haben die Runde gemacht und das Schlagwort der young german Art begründet. Was in den Neunzigerjahren noch eine Veranstaltung der happy few war, ist ein äußerst vitaler globaler Markt geworden mit einer immer breiter werdenden Sammlerschicht. Wobei insbesondere das Interesse an der jungen Kunst zugenommen hat. Messen wie die Frieze und die Art Basel Miami folgten daraufhin dem Modell des Art Forums, allein auf das zeitgenössische Segment zu setzen. Die Art Cologne zieht mit der Sonderausstellung „rheinschau“ in diesem Jahr nach.

Mit Werken von 1300 Künstlern bietet das Art Forum einen Überblick über die aktuelle Kunstproduktion, zeigt aber neben den inzwischen an die 200000 Euro teuren Gemälden eines Neo Rauch auch günstige Editionen und Nachwuchskünstler. Denn nur wer früh mit dem Sammeln beginnt, kann von den enormen Preissteigerungen profitieren. „Der Kunstmarkt ist ein Monster geworden, das wir nicht mehr reiten können“, hat der Schweizer Victor Gisler von der Galerie Mai 36 vor kurzem gesagt. Auf dem Art Forum sind zarte Tigerkinder zu entdecken. Doch sollte man nicht vergessen, schon einmal den Käfig zu bestellen.

Katrin Wittneven

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