zum Hauptinhalt

Kultur: Das Sommeropfer

Lars Noréns „Kälte“ im Deutschen Theater Berlin

Zu gern würde er einen totschlagen, der ganz normale, weiße, schwedische Junge Anders. „Ich glaub, das wär’n verdammter Kick. Besser als vögeln“. Der Wunsch geht in Erfüllung. Biertrinken im heißen schwedischen Sommer, auf einer Wiese über der Stadt – die drei jungen Leute, der Schule entronnen für immer, frei nun für eigene Entschlüsse, eigenes Leben, wollen eigentlich nur das. Aber Keith und Anders und Ismael sind nicht frei. Sie warten, ruhelos, auf irgendetwas. Mit rechten Parolen versuchen sie die Welt zu erklären – und ihre verzweifelte Lage am Rande der Gesellschaft. Sie trinken und heizen sich auf. Bis ihr Godot kommt, der Abiturient, der geborene Südkoreaner, von reichen schwedischen Eltern im Alter von zwei Jahren adoptiert. Man redet, man trinkt, man isst mit ihm – und tritt ihn einfach tot.

Diese Geschichte erzählt der 1944 in Stockholm geborene schwedische Dramatiker Lars Norén in seinem Vierpersonenstück „Kälte“. Geradlinig, ohne Überraschung, vorhersehbar. Die Jungen bleiben verstörend beliebig. Was gesagt und mitgeteilt wird, wirkt wie aufgeklebt, erklärt die Figuren nicht von innen heraus, macht sie zu Sprachrohren. Man spürt die aufrichtige, aufklärerische Absicht.

Robert Schuster hat die deutschsprachige Erstaufführung von „Kälte“ im Werkraum Kammerspiele des Deutschen Theaters als Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ inszeniert. Beschwörende, raunende Klänge zweier Celli werden unter die jargonbeladenen Unterhaltungen der Jungen gelegt. Nachdenklichkeit, Tiefe soll auf diese Art hereingeholt werden – es gelingt nicht. Denn der Raum für die Spieler (Bühne/Kostüme: Sascha Gross) ist durch eine Art Fahrstuhl mit quadratischer Grundfläche geometrisch streng begrenzt. Er zwingt zu einem engen Miteinander der fast nackten Körper. Auf diese Ballungen, diese verborgenen oder offenen Aggressionen kommt es der Regie an. Drei der vier Darsteller sind Studenten. Niklas Kohrt als Keith baut überzeugend den verschlagenen Anführer der Gruppe auf. Achim Schelhas (der einzige „fertige“ Schauspieler) und Peter Becker haben es, schon vom Text her, als Anders und Ismael schwerer. Gabor Biedermann, der Abiturient Kalle, von Anfang an als das fast schon mythische Opfer geschminkt, versucht allzu artiges Selbstbewusstsein und aufbrechende Angst, vorsichtigen Widerstand und duckmäuserische Ergebung ins Gleichgewicht zu bringen. Dennoch fehlen der Aufführung Spannung, Kraft und Leidenschaft.

Wieder am 4., 6. und 13. November

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false