zum Hauptinhalt

Kultur: Das Summen der Reinigungsmaschinen Raum und Rausch:

Elektronische Musik – jene Lautsprecherkonzerte mit ihren Auswüchsen in die Live-Performance und die „Klangkunst“ – ist bis heute ein Stiefkind der Neuen-Musik-Szene geblieben. Sich der schwierigen, zumindest in technischer Hinsicht wohl zukunftsweisenden Klänge anzunehmen, war von Anfang an Verdienst der Berliner „Inventionen".

Elektronische Musik – jene Lautsprecherkonzerte mit ihren Auswüchsen in die Live-Performance und die „Klangkunst“ – ist bis heute ein Stiefkind der Neuen-Musik-Szene geblieben. Sich der schwierigen, zumindest in technischer Hinsicht wohl zukunftsweisenden Klänge anzunehmen, war von Anfang an Verdienst der Berliner „Inventionen". Die Studios der Technischen Universität und der Akademie der Künste leisteten einst Pionierarbeit im abgeschotteten West-Berlin. Daran erinnerte man zum 20-jährigen Jubiläum ebenso wie neueste Produktionen hier ihr Forum fanden. Und während in den 80er Jahren noch leere Säle zu beklagen waren, präsentierten sich Parochialkirche und Staatsbank diesmal brechend voll mit jungem, sonst eher nicht unbedingt der gestrengen „E-Musik“ zugeneigtem Publikum.

Was die U-Bahn erzählt

„Musiques et Recherches“ hat die gleichnamige belgische Gruppe auf ihre Fahnen geschrieben - und prompt eignete den Stücken von Annette Vande Gorne, Todor Todoroff, Elizabeth Anderson eine gewisse „Eintönigkeit". In allen denkbaren Facetten aufgesplitterte Geräuschbänder, tastende Anfänge und fragend verrieselnde Schlüsse, Einbrüche brutaler Akzente, Zuflucht zu fernen Chören oder Vogelgezwitscher verbanden sich mit reichlich Hall zu immer neuen spacig-diffusen Soundtracks. Dank hoch entwickelter Technik stellte sich eine gewisse Glätte ein, vor allem gesampelte Klänge – aus dem Arsenal des Vorhandenen statt des neu zu Erfindenden, Erfundenen – ließen bloß allzu alltägliche Assoziationen zu. Immerhin lauschte man danach mit neuen Ohren und fasziniert der einfahrenden U-Bahn oder monströs brummenden und summenden Reinigungsmaschinen.

Aus dem Rahmen hingegen fiel „Klang“ von Jonty Harrison - dichte Strukturen aus den farbigen, obertonreichen Absonderungen zweier Steingut-Kasserollen. Klarheit, Präsenz wiederum, die sich nicht von der Fülle der Möglichkeiten verführen lässt, können Werke von vergleichsweise exotischem Hintergrund beanspruchen: In „Hic et nunc“ lässt Lutz Glandien harte Rhythmen zu den temporeichen Videobildern Veit Lups tanzen, eine sperrige Klangstruktur im visuellen Rausch.

In diesem Konzert des elektroakustischen Studios der Akademie der Künste erinnern Werke von Helmut Zapf oder Georg Katzer daran, dass die damals mühsam erkämpften Möglichkeiten in der DDR erstaunliche experimentelle Reibungsflächen boten. Auch im neueren „Canto del Aria“ (1996) und „Dialog imaginär 6“ (1997) verbinden sich Klangfantasie mit reichem Ausdrucksspektrum.

Durch den Computerwolf

Etwas altmodisch vielleicht angesichts manch ausgefuchster, mehrkanalig durch den Raum rotierender Arbeiten? Thierry Blondeaus „Etude au Doppler“, von schwingenden Pendellautsprechern reich modifizierte Glockenklänge, wirkten da besonders attraktiv. Aber das Spannendste fördert denn doch die Live-Elektronik, die Verbindung mit einem leibhaftig anwesenden Interpreten, zutage. Wie sensibel sich hier Klangcharaktere aufeinander abstimmen lassen, zeigt vor allem Agostino di Scipio in einer „texture-multiple“, die aus Flöte, Klarinette und Schlagzeug vom Ensemble mosaik quasi den Geräuschanteil herausfiltert und wieder hinzufügt. Dass Fabien Levy die Klänge der beiden letzten Konzerte durch den Computerwolf dreht - „der auch abstürzen kann“ - ist ein sympathischer und klanglich durchaus origineller Kommentar zum Abschluss nächtlicher Erkundungen der „Generatore di rumori". Isabel Herzfeld

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false