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Die Witwe: Babette Albrecht.

© dpa

Das Urteil gegen Helge Achenbach: Krimi mit lauter Verlierern

In diesem Krimi gibt es keine Sympathieträger. Betrüger wie Betrogene sind Schnäppchenjäger gewesen. Jetzt hat das Düsseldorfer Landgericht Helge Achenbach zur Zahlung von 19,4 Millionen Euro verurteilt.

Das Gericht ist der Argumentation der Verteidiger nicht gefolgt: Kunstberater Helge Achenbach muss den Erben des 2012 verstorbenen Sammlers Berthold Albrecht 19,4 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Auch wenn vordergründig kein finanzieller Schaden entstanden ist, weil der Wert der von Achenbach vermittelten Kunstwerke und Oldtimer inzwischen weit über Albrechts Zahlungen liegt – Achenbach hat ihn betrogen, mit fingierten Rechnungen. So sieht es das Düsseldorfer Landesgericht am Ende eines Zivilprozesses, den Albrechts Erben 2014 angestrengt haben.

Am Montag hatte auch Babette Albrecht vor Gericht ausgesagt, die Witwe des scheuen Berthold Albrecht, den der Kunstberater Achenbach für sich zu gewinnen versuchte, indem er dem Freund zusicherte, er werde alle für Albrecht bestimmte Ware zum Einkaufspreis weiterreichen und bloß ein bisschen Provision von drei bis fünf Prozent kassieren. Man muss das so banal formulieren, weil beide die Bilder von Picasso, Kokoschka oder Kirchner gleichermaßen wie beliebige Waren handelten. Kaufen und mit kleiner Marge wieder losschlagen, nach diesem Prinzip funktionieren nicht bloß Discounter. Es ist auch ein Köder für alle, für die Kunst vorrangig ein Investment ist.

Babette Albrecht tritt fast nie öffentlich auf

Babette Albrechts Auftritt hatte Seltenheitswert, auch sie scheut die Öffentlichkeit. Selbstbewusst hebt sie den Daumen – und erzählt dann mit nervöser Stimme Interna aus der Freundschaft mit den Achenbachs. 2007 lernte man sich kennen, bei einem Essen in der Nachbarschaft. Ihr sonst zurückhaltender Mann war „ganz aufgeschlossen“, sodass Achenbach ihm „das mit der Kunst“ schmackhaft gemacht habe. Bald kaufte man fast monatlich. Bei der Auswahl spielten auch persönliche Motive eine Rolle. Die Kinder sind in England? Also erwerben sie Kokoschkas „London Tower Bridge“. Umgekehrt entscheiden sie sich gegen ein Picasso-Bild mit „nur“ drei Mädchen – sie haben vier Töchter. Das Paar wünscht sich einen Gerhard Richter? Achenbach besorgt ihn.

Mit der Aussicht auf ein lohnendes Investment hatte Achenbach schon 2011 vermögende Kunden der Düsseldorfer Privatbank Berenberg zum Kunstkauf animiert. Nach ersten Anzeichen ähnlicher Betrügereien, die derzeit noch in einem Strafprozess in Essen vor Gericht stehen, wurde die Firma diskret aufgelöst. Auch hier versprach der Berater minimale Provisionen. Was im Kunstgeschäft nicht üblich und sogar schädlich ist, weil Achenbach Rückgabegarantien gab und einen finanziellen Puffer brauchte. In Wahrheit schrieb er neue Rechnungen, verwandelte Dollar in Euro oder umgekehrt und verschleierte die Transaktionen. Möglich waren solche dubiosen Geschäfte, weil auf dem Kunstmarkt ohnehin wenig reguliert und vieles intransparent ist.

Man fühlt sich fast wie in einem Krimi, bloß ohne Sympathieträger für den Zuschauer. Alle wollen Profit machen, Betrüger wie Betrogene stehen als Schnäppchenjäger da und als Verlierer – moralisch wie finanziell. Zwar erhebt Babette Albrecht schwere Vorwürfe, etwa im Zusammenhang mit den Oldtimer-Verkäufen: „Herr Achenbach“, wie sie den Duz- Freund jetzt nennt, habe ihrem sterbenskranken Mann zwei Ferraris verkauft. Mit zwei Metern Körpergröße habe er nicht mal hineingepasst. „Einen Vertrauensbruch“ nennt sie das. Gleichzeitig muss sie sich von den Verteidigern sagen lassen, dass es jenseits offizieller Rechnungen eine mündliche Vereinbarung zwischen Achenbach und ihrem Mann über einen Ermessensspielraum gegeben habe. Damit sie die wahren Preise nicht erfährt und sich nicht über die Höhe ereifern kann. Richter Joachim Matz fand das wenig überzeugend. Gegen sein Urteil kann Achenbach Berufung am Oberlandesgericht einlegen.

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