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Emma, c’est moi. Julischka Eichel in Nora Schlockers Inszenierung. Foto: Thomas Aurin

© Thomas Aurin

Kultur: Das Weichei und die Borderlinerin

Das Maxim-Gorki-Theater bringt Gustave Flauberts Eheroman „Madame Bovary“ auf die Bühne

Die Lust, schon wieder eine Romanadaption abzukanzeln, hält sich in Grenzen: Eigentlich haben uns die Theater in den letzten Jahren ausreichend Möglichkeiten geboten, sämtliche Einwände gegen die klein gehäckselte Weltliteratur minuziös vorzubringen. Aus aktuellem Anlass müssen wir nun leider trotzdem alles wiederkäuen: Die Dramatikerin Tine Rahel Völcker hat fürs Maxim-Gorki-Theater Flauberts „Madame Bovary“ adaptiert. Zwar trat sie schon im Vorfeld die Flucht nach vorn an und versuchte in einem Beitrag im Programmheft, den „schlechten Ruf“ von Romanbearbeitungen durch die Nennung begnadeter Sekundärproduzenten à la Bertolt Brecht oder Heiner Müller auszukontern. Aber das Bühnenergebnis konnte da leider nicht mithalten.

Nicht, dass die Autorin – und Gleiches gilt für die Regisseurin Nora Schlocker – keine solide Arbeit geleistet hätten. Aber genau das ist der Punkt: Dieser Ökonomisierungszwang, der Flauberts 450 Seiten auf eine dreieinhalbstündige Dialogmasse eindampft und jede Atmosphäre, jeden begnadet verschwenderischen Mehrwert der profanen Bühnenfunktionalität opfert. Hinzu kommt diese grundredliche Minimalaktualisierung, die den Anschluss an die tagesaktuelle Feuilleton-Debatte sucht und in den Weiblichkeitsvorstellungen der CDU/CSU ihr größtes Feindbild findet. Sicher: Es gibt weitaus Unsympathischeres als eine 32-jährige Dramatikerin und eine 28-jährige Regisseurin, die der Weltliteratur mit einem leidenschaftlichen feministischen Impetus zu Leibe rücken. Es gibt aber auch die berechtigte Ahnung, dass weder das Feuilleton noch die CDU/CSU in jedem Fall Gustave Flaubert gewachsen sind.

Völcker und Schlocker bürden Emma Bovary in ihrer emanzipationsbewegten Lesart einen schwierigen Job auf: Sie ist die Einzige, für die der Abend so etwas wie Mehrdimensionalität vorsieht. In durchaus kritischer Absicht spielt Julischka Eichel zeitlose Weiblichkeits-Stereotypen durch: die brave Hausfrau, die Gelegenheits-Lolita, die Verführerin mit Hang zum Ordinären, die Borderlinerin, die aus jeder Pore stumm „Hilf mir!“ schreit usw. Wen wundert es da, dass sich Eichel – auch, wenn ihre Figur Gegenteiliges behauptet – zusehends in Posen rettet! Schließlich steht sie ziemlich allein auf dieser universell tauglichen Gorki- Bühnen-Schräge, die man schon aus anderen Produktionen kennt und die diesmal von Jessica Rockstroh gebaut wurde. Die Männer, von Homais (Wilhelm Eilers) über Rodolphe (Ronald Kukulies) bis zu Léon (Albrecht Abraham Schuch): eindimensionale hinterhältige Fieslinge, Grobmotoriker oder Würstchen, die der hochkomplexen Emma nicht das Wasser reichen können. Am härtesten trifft es Charles Bovary. Der junge Schauspieler Alexander Fehling, der als Lichtblick in Peter Steins „Wallenstein“-Marathon 2007 ebenso begeisterte wie in Robert Thalheims Film „Am Ende kommen Touristen“, hat mit der schlichten Weichei–Rolle, die die Regie für ihn vorsieht, verständlicherweise seine Schwierigkeiten.

Man mag das als alles Versuch zweier vergleichsweise junger Künstlerinnen zur ausgleichenden Gender-Gerechtigkeit lesen. Einen interessanten Theaterabend ergibt es naturgemäß nicht.

Wieder am 25. 2. und 2. 3., 19.30 Uhr

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