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Kultur: Das Weiße Haus kommt derzeit im US-Kino so schlecht weg wie nie

Der amerikanische Wahlkampf findet derzeit vor allem im Kino statt. Aktueller Lieblingsfilm der US-Bürger ist "Rules of Engagement", ein Polit-Thriller, der seit zwei Wochen die Charts anführt.

Der amerikanische Wahlkampf findet derzeit vor allem im Kino statt. Aktueller Lieblingsfilm der US-Bürger ist "Rules of Engagement", ein Polit-Thriller, der seit zwei Wochen die Charts anführt. Dabei erleben die Zuschauer nicht nur erstklassige Schauspieler. Amerika bekommt hier die schärfste Kritik der Clinton-Außenpolitik geliefert, die die Populärkultur bisher produziert hat.

Wenn die Politik versagt, muss das Militär herhalten. Von dieser Prämisse geht "Rules of Engagement" aus. Radikal-islamistische Demonstranten bedrohen die US-Botschaft in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Die Marines werden hingeschickt, um die Botschafter-Familie zu evakuieren. Es kommt zum Schusswechsel, 83 Jemeniten werden getötet. Die US-Regierung hat ein publizistisches Debakel am Hals, fürchtet um den Frieden in Nahost und die eigene Glaubwürdigkeit. Man beschließt, ein Exempel zu statuieren. Der verantwortliche Oberst der Marines (Samuel L. Jackson) wird wegen Mordes angeklagt. Ein alter Kamerad aus gemeinsamen Zeiten in Vietnam (Tommy Lee Jones) übernimmt die Verteidigung.

Die Bösen im Drama sind Ben Kingsley als feiger US-Botschafter und Bruce Greenwood als skrupelloser Sicherheitsberater. William Friedkins Film lässt jedoch keinen Zweifel, wer hinter ihnen steht. Das Arbeitszimmer des Botschafters zieren die Porträts von Bill Clinton und Al Gore. Nach der Schlacht ist Clinton verschwunden, Gores Bild hängt schief an der durchlöcherten Mauer.

"Rules of Engagement" thematisiert all jene halbdurchdachten Einsätze, die die Vereinigten Staaten seit dem Golfkrieg mit angezettelt haben: Somalia und Haiti, Bosnien und Kosovo. Wenn George W. Bush und Al Gore im Wahlkampf wiederholt versichern, klare Prioritäten, strikte Maßstäbe für nationale Sicherheitsinteressen und glaubwürdige Terminpläne für den Abschied aus fremdem Terrain vorweisen zu können, falls sie ab Januar 2001 für die US-Militärs verantwortlich sein sollten, so zeigt ihnen Friedkins Film, warum das nötig ist. Und er zeigt es nicht als Anti-Kriegs-Film, sondern als Plädoyer gegen eine Politik, die sich um klare Entscheidungen drückt. Vor allem, wenn es um Krieg und Frieden geht.

Was das Weiße Haus angeht, fügt sich "Rules of Engagement" in eine stattliche Abfolge verwandter Filme. Die Zeiten der Heldenverehrung à la "Independence Day" und "Air Force One" scheinen vorbei. Unter Clinton ist der Regierungssitz zum Film-Schauplatz von Morden (aufgeklärt von Wesley Snipes in "Murder at 1600"), Betrügereien ("My Fellow Americans"), Ehebrüchen, Alkoholexzessen, Vergewaltigungen (begangen von Gene Hackman in "Absolute Power"), Verrätereien (Anthony Hopkins als "Nixon"), Skrupellosigkeiten (John Travolta in "Primary Colors") und Ausweichmanövern politischer Weicheier (Harrison Fords "A clear and present danger") geworden.

Wenn Hollywoods Macht über das kollektive Unbewusste tatsächlich so groß ist, wie man gemeinhin behauptet, braucht George W. Bush nur genügend Wähler ins Kino zu schicken, und er wird Präsident. "Rules of Engagement" basiert übrigens auf dem Roman eines gewissen James Webb. Der war unter Ronald Reagan Marine-Minister. Im realen Kabinett.

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