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Kultur: Das Zögern des Verführers

LIEDERABEND

Wer war Eduard Mörike? Heine schmähte ihn als trivial-innigen Biedermann. Das Psychogramm, das der Bariton Dietrich Henschel bei seiner literarisch-musikalischen Matinee in der Komischen Oper singend und rezitierend vom „schwäbischen Horaz“ zeichnet, ist davon weit entfernt. Der luftgesponnene Zauberfaden ist die unglückliche Liebe des jungen Mörike zu einer geheimnisvollen Fremden. In Henschels Interpretation der Vertonungen von Hugo Wolf scheint ein Stück von Mozarts Don Giovanni, den er hier gerade mit Peter Konwitschny erarbeitet, eingeflossen zu sein. Doch nicht als Frauenfresser, sondern als nachdenklicher Verführer tritt er uns hier entgegen: mit ebenso sanfter wie eindringlicher Stimme. Mit samtener Tiefe und manchmal brüchiger Höhe zeichnet er einen ebenso verführerischen wie melancholisch zerrissenen Charakter. Am eindrücklichsten gelingt Henschel das Drama der leisen Töne, etwa in „Lebe wohl“ oder am Ende des „Feuerreiters“. Franz Schwinghammer am Klavier malt dazu eine impressionistisch gefärbte Klangwelt: Silberhell lässt er Bäche rauschen und Vögel zwitschern, düster drohend die Feuerglocke läuten und das Echo in der Ferne verhallen. Auch die drei ausgewählten Petrarca-Sonette, Salonstücke für Klavier solo des von Wolf geschätzten Franz Liszt, präsentiert er mit pastellzartem Anschlag und gezähmtem Affekt. Man darf gespannt sein auf die nächsten Sonntage (23.2 und 9.3), an denen Henschel die Reihe fortsetzt. Besonders aber auf den 23. März, wenn er und Konwitschny zeigen, ob Don Giovanni ein schlicht-biederer Draufgänger ist oder einer, der an seinem Schicksal leidet.

Helge Rehders

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