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Die Silhouette von Premierminister David Cameron am eingang von 10 Downing Street, London.

© Toby Melville/REUTERS

David Cameron und der Piggate-Skandal: Tote Schweine, schlechter Sex

Groß sind Ekel und Entsetzen in England über David Cameron und eine neue Skandal-Biografie. Doch das Buch zur Piggate-Affäre ist bereits 80 Jahre alt: "Sein und Schwein" von P.G. Wodehouse.

Die heilige Kuh der Briten ist das Schwein. Das Tier, von dem Tucholsky einst feststellte, dass es „tatsächlich sehr schmutzig“ sei, eignet sich hervorragend, um die Ehre eines scheinbar Makellosen zu besudeln. Das hat jetzt Lord Ashcroft getan, der in seiner Skandalbiografie über Premierminister David Cameron schreibt, derselbe habe als junger Mann „einen intimen Teil seiner Anatomie in den Mund eines toten Schweins“ eingeführt. Groß sind Ekel und Entsetzen, Twitter sammelt die Häme unter dem Hashtag „Piggate“. Inzwischen mehren sich aber die Stimmen der Verteidiger von Cameron. Der „Spectator“ feiert die Veröffentlichung als „Schlag gegen die Neuen Prüden“. So brav und langweilig wie heute, das ist die eigentliche Enthüllung, kann der Ministerpräsident nicht immer gewesen sein.

Angst vor saftigen Memoiren

Das Buch zum Skandal ist achtzig Jahre alt. Es stammt von P. G. Wodehouse und heißt „Heavy Weather“. Schweres Wetter also: Schweinewetter. Auf Deutsch wurde daraus „Sein und Schwein“, ein Geniestreich des Übersetzers. Sein Name lautet – kein Witz! – Thomas Schlachter. Es geht um The Honourable Galahad Threepwood, einen hochwohlgeborenen Lebemann im Greisenalter, der damit droht, seine „saftigen“ Memoiren zu veröffentlichen. Als junger Mann hat er mit anderen Aristokraten Saufgelage zelebriert, Revuetänzerinnen verführt und kriminelle Mutproben bestanden. Also ungefähr dasselbe, was David Cameron mit seinen Freunden aus dem „Bullingdon Club“ getan haben soll.

Die Sau kommt auf Blandings Castle ins Spiel, einem Landsitz, auf dem Threepwood bei seinem Bruder zu Gast ist, dem neunten Lord Emsworth. Der schwer zerstreute Lord hat früher Riesenkürbisse gezüchtet. Nun gilt seine ganze Leidenschaft einer Lady namens Empress of Blandings. Es handelt sich um ein monströses Borstenvieh, das regelmäßig Schönheitskonkurrenzen gewinnt. An Sex ist der Lord wenig interessiert, er will bloß am Gatter der Geliebten sitzen und ihr zusehen, wie sie sich im Schlamm suhlt und Kartoffelschalen frisst. Um das selbstvergessene Mensch/Tier-Gespann herum kommen und gehen Liebespaare, Detektive, Bedienstete, ein Lord, der Verleger ist. Alle sind sie hinter Threepwoods „Reminiscences“ her. Am Ende vergräbt einer das Manuskript im perfekten Versteck, dem Schweinestall. Dort werden die Memoiren von der Kaiserin gefressen. Zeilen vor die Säue.

Zeilen vor die Säue

Der große Humorist Wodehouse ist in England ein Volksschriftsteller. Mit Redewendungen wie „Fifty-Fifty“ oder „What the hell“ hat er es dutzendfach ins „Oxford English Dictionary“ gebracht. Politiker benutzen in den rhetorischen Scharmützeln des Londoner House of Commons gern Zitate von ihm. Wodehouse war ein Romantiker, der immer wieder das Idyll einer gerade verflossenen Vergangenheit beschwor. Die Gärten von Blandings Castle, dem er ein Dutzend weitere Romane widmete, seien „das Paradies“, aus dem „wir alle einst vertrieben wurden“, hat der Schriftsteller Evelyn Waugh gesagt. Eines kann Cameron von Wodehouse lernen: Schwein zu sein, reicht manchmal schon für ein gutes Leben. Schwein zu haben, ist besser.

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